Erschreckende Vorstellung

22.01.2020

Von SEBASTIAN SCHMID

Sebastian Schmid Sport Autorenfoto Südwest Presse Redaktion SWP Foto: Volkmar Könneke

Sebastian Schmid Sport Autorenfoto Südwest Presse Redaktion SWP Foto: Volkmar Könneke

Auf einmal ging es gegen Österreich für die deutschen Handballer nicht mehr nur um einen Sieg bei der EM. Plötzlich stand der Job von Bundestrainer Christian Prokop auf dem Spiel – und die Spieler sollten es mit ihrer Leistung in der Hand haben, ob der 41-Jährige im Amt bleiben darf. Grundlage dafür war ein Satz von DHB-Vizepräsident Bob Hanning (siehe nebenstehender Artikel). Unabhängig davon, wie die Aussage letztendlich wirklich gemeint war, lässt der Vorgang tief blicken, was für ein Bild des Sports in der Öffentlichkeit existiert.

Da wird deutschen Nationalspielern zugetraut, dass sie bei einer EM vor Millionenpublikum absichtlich in einem prestigeträchtigen Spiel gegen Co-Gastgeber Österreich nicht ihre beste Leistung abrufen. Statt auf der großen Bühne, die sich ihnen einmal im Jahr bietet, Werbung für sich und ihren Sport zu machen, demontieren sie dort angeblich lieber öffentlich ihren Trainer.

Die Fans wundert nichts mehr

Diese Annahme zeigt, dass das Vertrauen in den Sport und seine handelnden Akteure nicht mehr sehr groß ist. Doping, Wettbetrug, Spielmanipulation – die Fans wundern sich über solche Vorgänge, die es auch im Handball gegeben hat, schon lange nicht mehr.

Es ist sogar bereits so weit, dass man für die Überzeugung, dass eine deutsche Handball-Nationalmannschaft bei einer EM vorrangig alle Spiele gewinnen will, als Romantiker bezeichnet wird. Realistischer als diese Annahme wird das Szenario eingeschätzt, dass ein hochrangiger Funktionär die Entscheidung über die Zukunft des Bundestrainers nicht in aller Ruhe in einem Gremium anhand von Parametern wie bisherige Entwicklung, Abschneiden bei großen Turnieren, Zukunftschancen und Titel-Wahrscheinlichkeit fällt, sondern sie in die Hände der Spieler abgibt.

Es mag sein, dass Prokop Fehler macht, die Mannschaft sich unter ihm nicht weiterentwickelt und er deshalb nicht der richtige Mann für das Amt ist. Die Diskussion darüber sollte allerdings sachlich geführt werden. Wer den Eindruck erweckt, solche wichtigen Personal-Entscheidung werden durch absichtlich verlorene Spiele herbeigeführt, tut dem Handball und dem Sport im allgemeinen keinen Gefallen. Angesichts der vielen Skandale, die es ohnehin schon gibt, geht es darum, das Vertrauen der Fans zurückzugewinnen. Mit Aussagen, wie dass das Team über die Zukunft des Trainers entscheidet, erreicht man allerdings das Gegenteil.

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Erstellt:
22.01.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 08sec
zuletzt aktualisiert: 22.01.2020, 06:00 Uhr

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