Nachruf · Manfred Schäfer

Charakter Ergenzingens entscheidend geprägt

Mit Manfred Schäfer verliert Ergenzingen einen Mann, der den heutigen Charakter des Dorfs entscheidend mit geprägt hat.

07.08.2019

Von Gert Fleischer

Manfred Schäfer auf einem Foto von 1993. Archivbild: Rainer Mozer

Manfred Schäfer auf einem Foto von 1993. Archivbild: Rainer Mozer

Ein Wunsch Manfred Schäfers wird am morgigen Donnerstag erfüllt, wenn um 14 Uhr der Trauergottesdienst in der Heilig-Geist-Kirche beginnt: Roland Renz, der aus Ergenzingen stammende Stuttgarter Obdachlosen- und Armenpfarrer, kommt und würdigt den Verstorbenen. Wie gemeldet, starb Schäfer in der Nacht zum 1. August in seiner Wohnung im Alter von 80 Jahren. Völlig unerwartet für sein Frau Helga, obwohl er seit zwei Jahren an diversen Erkrankungen litt. Er habe sich nicht unterkriegen lassen, dachte an morgen und ging aus dem Haus, obwohl die Chemotherapie ihre Spuren hinterlassen hatte. „Das schaff‘ ich noch“, habe er gesagt.

Manfred Schäfer, der in Ergenzingen geboren wurde, ist bekannt für sein Engagement als Vorsitzender beim Turn- und Sportverein (TuS) Ergenzingen, für die Partnerschaft mit der Weinbaugemeinde Gols, als Maskenbildner beim Laientheater der Kolpingsfamilie und bei der Narrenzunft.

In seinem Beruf als Frisör arbeitete Schäfer weit übers Pensionsalter hinaus. Selbst als er sein Geschäft vor fünf Jahren an die Nachfolgerin Jennifer Drössle übergeben hatte, ließen sich einige Ergenzinger Männer dort von ihm noch schneiden und frisieren.

Wesensverwandt zu seinem Beruf war Schäfers Faible für die Maskenbildnerei. Helga und Manfred Schäfer hatten ein Abo beim Tübinger Landestheater (LTT). Bei irgendeinem Theaterfest kam Schäfer mit dem Chefmaskenbildner ins Gespräch. Bald arbeitete er als Aushilfe und Vertretung, lernte die Kunst des Maske Machens beim Profi. 60 Jahre lang stylte Schäfer die Mimen des Kolping-Laientheaters in seinem Wohnort. Für den jährlichen Brauchtumsabend der Narrenzunft malte er die Charaktere in die Gesichter der Aktiven. Ganze Gruppen verwandelten sich unter seinem Farbauftrag: „Mal schminkte er 20 Hunde, mal 20 Aidas“, erzählt seine Frau.

Bis zuletzt machte Schäfer morgens seine Runde durch Ergenzingen und trank Kaffee und ein Wasser „beim Filippo“ im Bistro „Klein Paris“. Regelmäßig besuchte er den Stammtisch im „Waldhorn“. Er war keiner, der das große Wort im Mund führte, sondern ein ganz ruhiger, ein feiner Mann. Kaum zu glauben, dass so einer 21 Jahre Vorsitzender des TuS war, den Verein in dieser Zeit von 280 auf 750 Mitglieder brachte, ihn vom Kick-Club zum Familienverein mit sieben Abteilungen erweiterte. Zusammen mit seinem jeweiligen Team machte er aus einem Mini-Turnier mit zwei Schweizer Mannschaften eines der größten A-Jugend-Fußballturniere in Deutschland. Bei der Korrespondenz zu den Clubs in aller Welt half ihm seine Frau, die Englisch und Französisch gelernt und auch Spanisch ganz gut drauf hat. Damals gehörte zum Unterhaltungsprogramm des Turniers nicht nur die Musik im Festzelt wie heute, sondern es gab Motorradstaffeln, Fallschirmspringer, Hochseilartisten der Familien Traber und Weisheit. Schäfer war kein Polterer, aber seine Ideen und Ziele versuchte er durchzusetzen. „Er war sehr genau, pünktlich und schaute oft auf die Uhr“, sagt seine Frau Helga. Andere berichten: „Er machte Einwände, gab Hinweise, stellte Manches richtig.“

Berlin hatte für Schäfer eine besondere Bedeutung: Seine spätere Frau kam dort zur Welt als Helga Lüdtke, bevor sie via Frankreich und Wales als Lehrerin nach Ergenzingen geriet und sich zur Fasnet wagte. So begann es zwischen den beiden. Die Hochzeitsreise führte sie nach Wien. Dort lernten sie jemanden kennen, der ihnen das Burgenland empfahl. Also machten sie einen Abstecher dorthin, noch nicht nach Gols. Dann gab es aber ein Fußballspiel, das sich Manfred Schäfer – einst selbst ordentlicher Kicker und sehr guter Leichtathlet – anschaute. Er lernte Johann Stiegelmar kennen, der 1956 ein Weingut gegründet hatte. Die beiden waren sich sympathisch.

Schäfer baute Stiegelmars Weinvertrieb in Deutschland auf, fuhr Jahrzehnte lang zur Grünen Woche in Berlin und zu anderen Messen. Sogar im Bundespräsidialamt platzierte er Golser Wein. Das Ergenzinger Weinfest ist Frucht der Partnerschaft. Die Burgenländer Weinbaugemeinde verlieh Schäfer den Golser Ehrenring.

Für seine Verdienste wurde Schäfer mit der Ehrennadel Baden-Württembergs und der silbernen Ehrennadel Rottenburgs ausgezeichnet. Der TuS ernannte ihn 1993 zum Ehrenvorsitzenden. Manfred Schäfer hinterlässt seine Frau, eine Tochter, Schwiegersohn und vier Enkel.

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Erstellt:
07.08.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 02sec
zuletzt aktualisiert: 07.08.2019, 01:00 Uhr

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