Tübingen · Ausstellung

Geschichtlicher Rundweg: Entdeckungstour durch WHO

Auf einem Rundweg erzählen 14 voneinander unabhängige Tafeln die Geschichte des Viertels Waldhäuser-Ost.

16.08.2021

Von Aleksandar Mitrevski

Auch ohne die erste Infotafel erzählte Daniela Übelhör (links) viel Interessantes über das Stadtviertel. Bild: Uli Rippmann

Auch ohne die erste Infotafel erzählte Daniela Übelhör (links) viel Interessantes über das Stadtviertel. Bild: Uli Rippmann

Fast wäre die Führung von Daniela Übelhör vom Stadtmuseum wegen der starken Gewitter am Sonntagnachmittag ins Wasser gefallen. Übelhör zeigte sich hartnäckig und prognostizierte, dass es bis zum Beginn der Führung um 16 Uhr wieder aufklaren werde. Unklar war, ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei dieser unsicheren Wetterlage überhaupt bereit waren, am Rundweg teilzunehmen. Aber: Die Hartnäckigkeit von Übelhör sollte belohnt werden. Fünf Personen, inklusive einer kleinen Familie, ließen sich durch das bedrohliche Donnern nicht abschrecken.

Die Führung startete auf der Fußgängerbrücke zwischen Studierendendorf und Einkaufszentrum. „Eigentlich nur aus pragmatischen Gründen“, wie Übelhör betonte. Die 14 Tafeln seien inhaltlich unabhängig voneinander und nicht chronologisch angeordnet. Die Tafel auf der Brücke sei, so Übelhör, über die Busanbindung am Ahornweg am einfachsten zu erreichen. „Als Rundweg ergibt das eigentlich schon den perfekten Sonntagsspaziergang“, scherzte sie.

Die Tafeln informieren über ein breites Themenfeld im Zusammenhang mit dem Aufbau und der Geschichte des Stadtviertels. Über die ersten Einzüge 1971, das Studierendendorf, den archäologischen Funden der keltischen Hügelgräber bis hin zu den Zukunftsplänen für das Viertel – alles ist sehr informativ und verständlich dargestellt. Aufgefallen ist den Teilnehmenden vor allem der Kontrast zwischen den am Brutalismus angelehnten Hochhausbauten und den kleineren Schrägdachhäusern in den Neuen Äckern. Schon in den 1980er Jahren, so Übelhör, wurde die Stadtplanung langsam an eine Nutzungsmischung herangeführt. Das beste Beispiel dafür ist die Öko-Siedlung Schafbrühl. Mit einem eigenen Laden, einer Arztpraxis und viel Naturfläche sei die Siedlung ein Vorbild für etwa das Französische Viertel gewesen, sagte sie. Markante Zitate, wie die eines Pfarrers, der das Studierendendorf als „Ghetto“ bezeichnete, oder die Klagen eines Anwohners, der in den dunklen Betonhochhäusern „Särge mit Fenstern“ sah, sind dabei nur ein kleiner Teil dessen, was auf dem Rundweg herausgefunden werden kann.

Viele Zeitungsartikel schlummerten im Stadtarchiv

Die Inhalte der 14 Infotafeln, die entlang des 4,2 Kilometer langen Rundwegs aufgestellt sind, wurden, bis auf eine Ausnahme, von Daniela Übelhör recherchiert und verfasst. Dies sei leichter gewesen, als sie erwartet habe, sagte sie. „Im Stadtarchiv gab es überraschend viele Zeitungsartikel über das Viertel“, so Übelhör. Außerdem sei sie sehr leicht mit den Anwohnerinnen und Anwohnern ins Gespräch gekommen.

Anlass für das Aufstellen der Infotafeln ist das 50-jährige Bestehen des Stadtviertels. Die sogenannte Outdoor-Ausstellung entstand aus der Kooperation zwischen dem Stadtmuseum und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Tübingen. Finanzielle Unterstützung erhielt die Aktion vom Städtebau-Förderprojekt „Sozialer Zusammenhalt“, das sich rund um das Viertel für eine stärkere soziale Entwicklung stark macht. Zum Jubiläum war sowieso eine Ausstellung geplant, erklärte Übelhör, die Corona-Pandemie habe die ganze Sache aber deutlich erschwert. Daher habe die Idee einer Outdoor-Ausstellung sehr nahegelegen. „In dem Fall gibt es wohl nichts Corona-Konformeres, weil die Tafeln alle im Freien stehen“, sagte sie.

Besonders eine Frau schien ihre Liebe für das Viertel wiederentdeckt zu haben. „Ist doch eigentlich ganz schön hier“, stellte sie fest. Elf Jahre habe sie auf WHO gelebt, musste dann aber wegen der Arbeit ihres Mannes umziehen. Für einen Teilnehmer, der seit 1986 im Stadtviertel lebt, waren die historischen Informationen am überraschendsten. „Am meisten interessierte mich, woher die Planung kam“, sagte er.

Das Stadtviertel soll lebendiger werden

Die neuen Pläne für Waldhäuser-Ost sollen das Viertel wieder lebendiger machen. Weg vom reinen Pragmatismus der Wohnungsnotlinderung aus den Anfangsjahren, hin zu einem Ansatz der Nutzungsmischung. Der Kern um das Stadtteilzentrum soll komplett neu gestaltet werden: Viele neue Gewerbe bringen eine neue Vielfalt und Attraktivität in das Viertel. Der Ausbau mehrerer Gemeinschafts- und Grünflächen um den Quartiersparks sollen Rückzugsorte werden. Ebenso wird der Berliner Ring verschmälert, um mehr Raum für die Projekte zu schaffen. Eine Stadtbahnanbindung ist im Entwurf, der als weitere Diskussionsvorlage dient, eingeplant. Durch den Umbau soll das Viertel sein Image als „Schlafstadt“ verlieren.

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Erstellt:
16.08.2021, 18:40 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 16.08.2021, 18:40 Uhr

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