Nachfrage ist gut

Ausgebremst durch teure Rohstoffe: Engpässe verteuern Möbel

Die Nachfrage vor allem aus dem Ausland ist gut, die Zahlen werden besser. Ausgebremst wird die Branche von teuren Rohstoffen.

24.08.2021

Von Caroline Strang

Viele Neubauten und durch Corona übrig gebliebenes Budget: Vor allem Küchenhersteller stehen derzeit gut da. Foto: Dmitry Kalinovsky/shutterstock.com

Viele Neubauten und durch Corona übrig gebliebenes Budget: Vor allem Küchenhersteller stehen derzeit gut da. Foto: Dmitry Kalinovsky/shutterstock.com

Berlin. Mit einer Achterbahnfahrt oder dem wechselhaften Wetter dieses Sommers lässt sich die Geschäftsentwicklung der deutschen Möbelindustrie im ersten Halbjahr 2021 vergleichen. „Es ging auf und ab, mal lief es gut, mal war die Lage überhitzt und immer wieder gab es Schwierigkeiten“, erklärt Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie. Als Regenzeit kann die durch den Lockdown erzwungene Schließzeit im Frühjahr gelten, aber auch Materialengpässe und teuere Rohstoffe verhagelten die Stimmung. Allein im März waren 60 Prozent der Angestellten in Kurzarbeit. Wärme und Sonne brachte hingegen die ungebremste Lust der Deutschen, gerade in Corona-Zeiten ihr Heim zu verschönern.

Von Januar bis Juni 2021 betrugen die Umsätze der deutschen Möbelindustrie rund 8,4 Milliarden Euro – ein Plus von 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Inlandsumsatz entwickelte sich vor dem Hintergrund der langen Phase der Handelsschließungen mit plus 1,5 Prozent nur leicht positiv, erklärte Kurth bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen. „Dagegen konnte der Auslandsumsatz der deutschen Möbelindustrie im ersten Halbjahr 2021 kräftig um 10,6 Prozent zulegen.“

Allerdings zeigen diese Zahlen den Vergleich zum ersten Halbjahr 2020, in dem der Umsatz durch Corona schon deutlich eingebrochen war. Vergleicht man die Werte mit dem Vor-Krisenjahr 2019, wird deutlich: Die Branche liegt im ersten Halbjahr 2021 immer noch um 6,3 Prozent unter dem Umsatzniveau des ersten Halbjahrs 2019. Die Zahlen vor der Krise werde man erst Mitte 2023 erreichen, schätzt Kurth.

Betrachtet man die Umsätze der einzelnen Segmente, hat sich nicht so viel verändert: Kochen und Kuscheln war den Deutschen schon vor der Pandemie wichtig, die Krise hat diesen Trend verstärkt. So verzeichneten die Küchenmöbelhersteller einen kräftigen Umsatzanstieg um 16,3 Prozent auf rund 2,8 Milliarden Euro. Einen überdurchschnittlichen Anstieg registrierten auch die Hersteller von Polstermöbeln, deren Umsätze von Januar bis Juni 2021 um 17,5 Prozent auf rund 500 Millionen Euro zunahmen.

Die Matratzenindustrie als kleinstes Segment der Branche

Auch das kleinste Segment der Branche – die Matratzenindustrie – wies ein Umsatzplus in Höhe von 3,5 Prozent auf rund 363 Millionen Euro aus. Wo Licht ist, ist allerdings immer auch Schatten: Die Umsatzentwicklung beim größten Segment der Möbelindustrie – den sonstigen Möbeln wie Wohn-, Ess- und Schlafzimmermöbel – fiel mit minus 5,8 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro geringer aus als der Branchendurchschnitt. Die Büromöbelindustrie registrierte mit einem Umsatz von rund 960 Millionen Euro einen Rückgang um 0,3 Prozent.

Insgesamt ist die Möbelindustrie nach den langen Schließzeiten in den Lockdowns auf einen guten Weg – eigentlich. Denn auch dieser Branche mit aktuell 458 Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten machen gestiegene Rohstoffpreise und Materialengpässe zu schaffen. Neben Holzwerkstoffen sind unter anderem Metallkomponenten, Beschläge, elektronische Bauteile, Polsterschäume, Bezugsstoffe und Verpackungsmaterialien knapp. „In unserer jüngsten Verbandsumfrage gaben 42 Prozent der befragten Möbelhersteller an, dass sich die Materialversorgung im Juli 2021 gegenüber dem Vormonat weiter verschärft hat und es wegen der Engpässe zu Einschränkungen und Verzögerungen in der Produktion kommt“, sagte Kurth. Die Planung von Kapazitäten werde erheblich erschwert, die Kalkulationsbasis verändere sich massiv infolge der Verteuerung der Vorprodukte. „Es ist davon auszugehen, dass die höheren Produktionskosten in der Wertschöpfungskette weitergegeben werden müssen.“

Zurzeit bezahlten Hersteller zum Teil das Doppelte für das benötigte Material. Das könne auch Auswirkungen für die Kunden haben. Auch die Lieferzeiten seien derzeit um durchschnittlich zwei Wochen länger. Eine wirkliche Entspannung sei nicht in Sicht. „Gerade nach dem Lockdown war die Nachfrage groß und die Materialengpässe bremsten die Produktion aus“, sagte Kurth. „Das war äußerst ärgerlich.“ Über die Hälfte der deutschen Möbelhersteller hätten ihre Produktion deshalb zumindest für einzelnen Tage sogar einstellen müssen.

Erfreulich sind die Exportzahlen: Die deutschen Möbelexporte stiegen im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22,6 Prozent auf 4,17 Milliarden Euro. Der Exportwert ist in der Regel höher als der Auslandsumsatz der Industrie, denn der Exportwert schließt auch die in ausländischen Produktionsstandorten hergestellte Ware mit ein. Besonders erfreulich sei die Steigerung der Ausfuhren nach Frankreich mit einem kräftigen Plus von 46 Prozent, sagte Kurth, es folgen die Schweiz und Österreich. Sogar der britische Markt habe ein Comeback erlebt.

Ausgebremst durch teure Rohstoffe: Engpässe verteuern Möbel

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Erstellt:
24.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 10sec
zuletzt aktualisiert: 24.08.2021, 06:00 Uhr

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