Bundestagswahl

Einer wird gewinnen

CDU-Chef Armin Laschet wäre gerne der Kanzlerkandidat der Union – sein CSU-Amtskollege Söder allerdings wohl auch. Die Entscheidung darüber rückt näher. Was die beiden eint und unterscheidet.

09.04.2021

Von CLAUDIA KLING

Foto: ©SoRad/shutterstock.com Foto: ©SoRad/shutterstock.com

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Berlin. Spätestens bis Pfingsten will die Union bekanntgeben, wer der Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2021 sein wird. Nun haben die Grünen erklärt, bereits in anderthalb Wochen ihre Kanzlerkandidatin oder ihren Kanzlerkandidaten küren zu wollen. Die Ankündigung ihres Hauptkonkurrenten bringt CDU und CSU in Zugzwang. Die Spannung steigt inzwischen mit jedem Tag. Am Sonntag trifft sich der Vorstand der Bundestagsfraktion mit Kanzlerin Angela Merkel und den beiden möglichen Kandidaten Armin Laschet und Markus Söder in Berlin. Das Treffen könnte die Weichen für die Kandidatenkür stellen. Aber wohin? Klar ist, dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet (CDU) ins Kanzleramt strebt. Sein bayerischer Amtskollege Söder hat sich noch nicht erklärt. Aber nur einer wird gewinnen. Was spricht für oder gegen die beiden potenziellen Kandidaten?

Die Umfragen

Wenn die Union die Kanzlerkandidatur nach den aktuellen Umfrageergebnissen der möglichen Bewerber entscheiden würde, wäre die Angelegenheit schnell erledigt. Dann müsste CSU-Chef Söder sich ruckzuck mit dem Gedanken anfreunden, im Falle eines Wahlerfolgs von CDU und CSU im Herbst 2021 nach Berlin umzuziehen. Denn nur ihn hält eine Mehrheit der Bürger in Deutschland (56 Prozent) derzeit für geeignet, der nächste Kanzler zu werden. Armin Laschet trauen dies laut aktuellem Politbarometer im März nur 23 Prozent der Befragten zu. Was für den NRW-Chef besonders bitter ist: Auch in der Union hat er keine Mehrheit hinter sich, nur 28 Prozent der Anhänger von CDU/CSU sprachen sich für ihn aus.

Und es kommt noch dicker: Bei der Beurteilung von Sympathie und Leistung glänzt Söder auf Platz zwei direkt hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel, während die Werte für den CDU-Chef, der ohnehin bereits weit abgeschlagen war, noch einmal nach unten gingen. Auch interessant: Bislang wiederholte Laschet immer wieder, dass die Kanzlerkandidatur unabhängig von Umfragewerten entschieden werde. Am Osterwochenende sagte Söder in einem Interview: „Umfragen spielen natürlich eine Rolle.“

Das Verhältnis zur Kanzlerin und das Corona-Management

Auch in dieser Beziehung hat Laschet derzeit keinen Lauf. Bis zur Corona-Krise, die hauptsächlich mittels Ministerpräsidentenkonferenz gemanagt wird, galt der NRW-Landeschef als Merkels Mann – im Hinblick auf ihre Nachfolge. Der Aachener hatte sich in der Flüchtlingskrise 2015/2016 eindeutig auf die Seite der Bundeskanzlerin gestellt und ihre Politik verteidigt. Es war klar, dass derjenige, der Laschet wählt, Merkel-Politik bekommt. Der CDU-Chef selbst hatte in einer Karnevalssitzung, durchaus selbstironisch, bereits mit dem Gedanken als „Deutschlands next Mutti“ kokettiert. Inzwischen ist es CSU-Chef Markus Söder, der Sätze sagt wie: „Merkel-Stimmen gibt es nur mit Merkel-Politik“ – und damit seinen Pandemie-Kurs meint. Und er fordert in der „Bild am Sonntag“, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur „eng mit Angela Merkel“ abzustimmen.

Laschet muss derweil in Talkshows erklären, warum die Kanzlerin gerade ihn genannt hat, als sie die Corona-Politik in den Ländern kritisierte. Dass der neue CDU-Chef in seiner Rede zum Wahlprogramm feststellte, Deutschland brauche dringend ein „Jahrzehnt der Modernisierung“, weil Staat und Verwaltung nicht mehr effizient genug seien, dürfte sein getrübtes Verhältnis zur Kanzlerin nicht unbedingt aufgehellt haben. Söder kommentierte, er finde es „sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzende mit der CDU-Kanzlerin ein halbes Jahr vor der Wahl streitet“.

Führungsqualitäten und andere politische Fähigkeiten

Armin Laschet gilt als freundlicher Mensch, der als Regierungschef einer schwarz-gelben Koalition mit nur einer Stimme Mehrheit beweist, dass er unterschiedliche Menschen beisammenhalten kann. Er sei integrativ, heißt es deshalb über ihn. Und nett. Aber das Attribut „nett“ ist für einen Politiker, der wichtigster Entscheider in Deutschland werden will, eher schwierig. Der CDU-Chef sei der am meisten unterschätzte Politiker Deutschlands, sagen diejenigen, die ihm wohlgesonnen sind – und verweisen auf seinen Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen, den ihm viele nicht zugetraut hatten. Andere bezweifeln dagegen öffentlich seine Führungsqualitäten, weil Laschet in der Rolle des entschiedenen Entscheiders nicht wirklich überzeugen kann.

Den Vorwurf mangelnder Führung muss sein potenzieller Mitbewerber um die Kanzlerkandidatur nicht fürchten. Söder gilt als jemand, der sein Ding durchzieht und nur dann einen anderen Weg einschlägt, wenn er merkt, dass seine Politik beim Wähler nicht gut ankommt – wie nach den Verlusten bei der bayerischen Landtagswahl im Jahr 2018. Den CSU-Chef würde wohl selbst in der eigenen Partei niemand als „nett“ beschreiben, sein Drang zur Macht ist vielmehr gefürchtet. Horst Seehofer, sein Vorgänger als Ministerpräsident und an der CSU-Spitze, attestierte ihm einst einen Hang zu „Schmutzeleien“ und dass er „von Ehrgeiz zerfressen“ sei. Von diesem Bild hat sich Söder, gerade auch in der Corona-Krise, öffentlich durchaus befreit.

Der Rückhalt in der Union

Nur wenige CDU-Mitglieder haben sich bislang so eindeutig pro Söder positioniert wie sieben Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg, deren Erklärung am Dienstag bekannt wurde. Darin heißt es, der CSU-Chef sei „ein kraftvoller und aussichtsreicher Kanzlerkandidat für die gesamte Union“. Thomas Strobl, CDU-Chef im Südwesten, hatte sich hingegen nur wenige Tage zuvor für Laschet ausgesprochen. Auch andere CDU-Landesverbände sind in dieser Frage gespalten.

Natürlich spielen für die Bundestagsabgeordneten auch die Umfragen eine Rolle. Denn die Befürchtung, das eigene Mandat zu verlieren, wenn nicht der aussichtsreichste Kandidat ins Rennen geht, ist groß. Offen ist, ob der Bayer Söder, wenn es denn ernst werden sollte, nördlich der Mainlinie die Unterstützung hat, die er als CDU/CSU-Bewerber fürs Kanzleramt braucht. Dass dies kein Selbstläufer wird, zeigt die säuerliche Reaktion des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) auf einen gemeinsamen Brief von Söder und Winfried Kretschmann (Grüne), in dem die beiden sich für schärfere Beschränkungen in der Corona-Krise ausgesprochen hatten. „Im Norden wird gehandelt, im Süden werden Briefe geschrieben“, sagte Günther dazu in Kiel.

Die Partei ist des Wartens auf den Kanzlerkandidaten derweil langsam überdrüssig – dies erklärt, warum einige Abgeordnete inzwischen vorgeschlagen haben, die Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag über die K-Frage abstimmen zu lassen. Auch Fraktionschef Ralph Brinkhaus wurde als Alternativkandidat zu dem Duo Laschet/Söder ins Spiel gebracht.

Für den Kandidaten selbst, wer auch immer es wird, könnte es hingegen von Vorteil sein, wenn seine Zeit neben einer nach wie vor starken Kanzlerin Merkel möglichst kurz ist. Denn dass Politiker in Pandemie-Zeiten schnell an Popularität verlieren, wenn sie zu viel versprechen, zu wenig halten und dafür öffentlich gerügt werden, haben die vergangenen Wochen bewiesen.

Vielleicht geht es durch die Unionsklausur am Sonntag aber nun doch schneller, bis es bei der Union heißt: Habemus Kanzlerkandidaten!

Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Markus Söder CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern. Foto: Peter Kneffel/dpa

Markus Söder CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern. Foto: Peter Kneffel/dpa

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Erstellt:
09.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 17sec
zuletzt aktualisiert: 09.04.2021, 06:00 Uhr

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