Soziales
„Eine herausfordernde Zeit“ - Wohnungslos in Kälte und Pandemie
Einrichtungen können Nachfrage nach Schlafplätzen und warmem Essen teilweise nicht mehr bedienen. Um Abstand zu halten, müssen Betten leer bleiben.
Stuttgart. Weniger Platz, weniger Tests und Masken und dazu die drohende Kälte: Auf wohnungslose Menschen kommen zum Wintereinbruch unter Pandemiebedingungen weitere Probleme hinzu. „Die Menschen kommen jetzt wieder zu uns“, sagt Gabriele Kraft vom Diakonischen Werk Württemberg.
Der AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg sagt eine „herausfordernde Zeit“ voraus. Denn die Nachfrage nach warmen Schlafplätzen oder einem warmen Essen könnten einige Einrichtungen in der Pandemie nicht bedienen. Um die Abstandsregeln einhalten zu können, müssten zum Beispiel viele Betten leer bleiben, heißt es aus mehreren Unterkünften. In Baden-Baden habe die Caritas sogar ihre Gemeinschaftsräume zu zusätzlichen Einzelzimmern umfunktioniert. „So konnten wir genügend Platz schaffen“, sagt Christian Frisch vom Verband. In Notunterkünften gebe es dagegen auch jetzt meist keine Einzelzimmer. Dort zusätzliche Kapazitäten zu schaffen, gelinge nur bedingt.
Nicht nur räumlich, auch finanziell könnte es nach Einschätzung der Betreuer in diesem Winter eng werden: In den Unterbringungen gebe es oft nicht genügend Geld, um Masken, PCR-Tests und Handschuhe zu kaufen, sagte Kraft. Dabei seien Masken und sichere Tests für vorerkrankte und geschwächte Menschen auf der Straße besonders wichtig. „Wir kämpfen immer um die Finanzierung. Jetzt können wir nur wenige Euro für einen Schnelltest ausgeben.“
Ähnliche Probleme melden auch die mobilen Einsatzteams, die in den großen Städten in Kältebussen unterwegs sind, wenn die Temperaturen auf Null und darunter fallen. Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes in Stuttgart fehlt es auch hier an Geldspenden, um Masken und Handschuhe kaufen zu können. Sachspenden wie Schlafsäcke oder Decken gebe es aber genug.
Die Wohnungslosenhilfen treibt die Sorge um, dass Menschen auf der Straße Probleme mit den Corona-Verordnungen bekommen könnten. Schon im vergangenen Winter hatten viele Obdachlose und Hilfseinrichtungen mit den Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen zu kämpfen. Die besonderen Probleme der Obdachlosen würden in der Pandemie oft vergessen, sagte Frisch von der Caritas Baden-Baden. Besonders schwierig sei beispielsweise, dass nur noch digitale Impfausweise akzeptiert werden. „Viele Wohnungslose haben diese technischen Möglichkeiten ja gar nicht“, sagte er. dpa
Vor allem alleinstehende Männer ohne Wohnsitz
Nach Zahlen aus dem Jahr 2014 haben knapp 23 000 Menschen im Südwesten keinen festen Wohnsitz. Damals gab es eine Untersuchung im Auftrag des baden-württembergischen Sozialministeriums zu Umfang, Struktur und Hilfen für Menschen in Wohnungsnotlagen. Neuere Zahlen gibt es bisher nicht.
Bei rund 61 Prozent aller Wohnungslosen handelt es sich der damaligen Studie zufolge um alleinstehende Männer, bei rund 20 Prozent um alleinstehende Frauen. Etwa jede achte Person war 25 Jahre alt. Rund 14 Prozent davon waren über 60 Jahre alt. dpa/swp