Wie mir Bach begegnete: Ingo Bredenbach und der Komponist

Ein autobiographisches Schlaglicht zum Bachfest – von einem, der es maßgeblich mitorganisiert hat

Mein Vater, von Haus aus Elektroingenieur beim Fernmeldeamt (an sich schon ein melodisch klingender Behördenname), das längstens in der Telekom (welch harter Name) aufgegangen ist, spielte als nebenberuflicher Organist Gottesdienste.

28.09.2018

Von Ingo Bredenbach

Wagt einen persönlichen Blick auf seinen Hausheiligen: Prof. Ingo Bredenbach. Bild: Bachfest

Wagt einen persönlichen Blick auf seinen Hausheiligen: Prof. Ingo Bredenbach. Bild: Bachfest

Eines meiner größten Glücksgefühle war es, als kleiner siebenjähriger Junge neben ihm auf der Orgelbank sitzen zu können und beim Spielen seines Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach zuschauen und zuhören zu können; besonders liebte er die sogenannten „Acht kleinen Praeludien und Fugen“ und somit mochte ich diese auch.

Vor lauter Lampenfieber

Mit guten Erinnerungen verbinde ich auch, wenn mein Vater Bach-Choräle spielte, besonders „Ich steh an deiner Krippen hier“ und „Freuet euch, ihr Christen alle“, die jeweils herrliche, fast unendlich scheinende Tonleiterbewegungen im Bass haben.

Und welch Glück für mich, als Fünftklässler meines Jungens-Gymnasiums in Wuppertal mit unserem Schulchor singend mit dem Bus nach Köln in den dortigen Konzertsaal „Gürzenich“ (Köln hat immerhin einen Konzertsaal!) zu fahren, um den Choralchor in Bachs Matthäuspassion mitzusingen.

Auf einer, wie mir schien, riesigen Bühne saß hinter uns ein alter, freundlicher Herr an der Orgel – wie sich später herausstellte der berühmte Kölner Orgelprofessor Michael Schneider, der sich gütig zu uns herab wandte, uns immer wieder über die langen Zeiten der Probe hinweg aufmunterte und für mich beeindruckend auf der Saalorgel spielte.

Eine meiner größten Beschämungen mit Bach entstand, als ich, der ich in den Pausen des Musikunterrichts an unserem Gymnasium immer wieder auf dem Flügel herumklimperte (also dilettierte und im Sinne des Wortes mich erfreute, aber wohl die anderen nicht), vom Lehrer aufgefordert wurde, in der nächsten Schulstunde vorzuspielen – vor lauter Lampenfieber musste ich eine Woche später das kurze Bachsche Stück abbrechen.

Eines der größten Unglücke mit Bach war für mich, dass ich kurz vor einem Schulchorkonzert in der Wuppertaler Stadthalle auf dem Johannisberg, einen phänomenal schönen Jugendstilbau mit hervorragender Akustik (auch Wuppertal hat einen Konzertsaal!), in den Stimmbruch kam.

Obwohl ich die Altpartie gut konnte, durfte ich wegen meiner kieksenden Stimme nicht mitsingen. Und die Kantate, die ich wegen meiner tiefer werdenden Stimme nicht mitsingen konnte, hatte auch noch den Titel „Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir“.

Meine Anfangsgründe im Spiel von Tasteninstrumenten habe ich, der ich – ähnlich wie Bach – als Jugendlicher keinerlei geregelten Unterricht hatte, mir auf dem elterlichen Harmonium selber beigebracht. Mit etwa 15 Jahren habe ich mir aus der gut ausgestatteten Notenbibliothek der Wuppertaler Stadtbücherei Orgelnoten Bachs ausgeliehen und die Pedalpartie seiner komplexen Orgelwerke beim Spiel auf dem Harmonium noch mit der linken Hand mitzugreifen versucht.

Als ich mit 17 Jahren meinen ersten Orgelunterricht und wenig später zudem Klavierunterricht erhielt, führte dies zum Wunsch Kirchenmusik zu studieren, und nicht, wie es meine Leistungskurse eventuell nahegelegt hätten, Mathematik.

An der renommierten Folkwang-Hochschule Essen hatte ich das Glück, mit Prof. Gisbert Schneider einen ausgesprochen erfahrenen Pädagogen und exzellenten Orgelspieler zum Lehrer zu haben, der mit ganz feinsinniger Agogik besonders Bachsche Orgelmusik spielte und in diesem Stil perfekt improvisieren konnte.

Zudem hatte ich mit dem an avantgardistischer Musik geschulten Organisten Gerd Zacher einen Institutsleiter, der in seinen Seminaren mir die Augen und Ohren öffnete für die inneren Strukturen, die kompositorischen Feinheiten, Freiheiten und Abweichungen von den Normen nicht nur in Bachschen Kompositionen.

In diesem Kosmos seiner Musik

So begleitete mich von Kindesbeinen an sogenannte klassische Musik, gerade die Johann Sebastian Bachs, und es erschloss sich mir schon früh die Vitalität seiner Musik. Dazu kam meine Lektüre von Albert Schweitzers 1908 geschriebenem Bach-Buch, das mit einer bildreich-beredten Sprache, mehr intuitiv als wissenschaftlich, wie ich heute weiß, die Biographie und die Musik Bachs beschreibt.

Und noch heute, nach Aufführungen von Dutzenden seiner Kantaten, den Passionen, der h-moll-Messe, dem Weihnachtsoratorium und der Gesamtaufführung des Bachschen Orgelwerks, befinde ich mich noch immer auf Entdeckungsreise in diesem Kosmos seiner Musik, einer Entdeckungsreise, zu der ich Sie anlässlich des Bachfestes in Tübingen einlade.

Von SingBach bis Jazz: Das Programm des 93. Bachfests am heutigen Freitag

Um 15 Uhr Uhr beginnt bei freiem Eintritt in der Tübinger Stiftskirche das Mitsingprojekt „ SingBach“ mit Tübingern Grundschulkindern, die gemeinsam mit Frank Schlichter und Band und Chorleiterin Friedhilde Trüün Lieder, Choräle, umgearbeitete Arien und mit Text

versehene „Hits“ des Meisters.

Um 17 Uhr hält der Autor und Journalist („Die Zeit“) Volker Hagedorn im Pfleghof den Eröffnungsvortrag (Eintritt frei).

Und um 20 Uhr gibt es in der Stiftskirche das Eröffnungskonzert mit Kantaten und Motetten von Johann Sebastian Bach und seinen Vorfahren aus dem Altbachischen Archiv mit amarcord und der lautten compagney Berlin.

Außerdem um 22.30 Uhr treten im Bootshaus am Neckar Patrick Bebelaar und Fried Dähn auf, deren Stück „dafd“ das Material ausschließlich aus Bachs „Kunst der Fuge“ schöpft.

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Erstellt:
28.09.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 22sec
zuletzt aktualisiert: 28.09.2018, 01:00 Uhr

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