Polizeiskandal

Ein riesiger Scherbenhaufen

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Inspekteur der Polizei wegen Verdachts der sexuellen Belästigung.

27.11.2021

Von Theo Westermann

Stefanie Hinz: Brief an alle Polizeiangehörigen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Stefanie Hinz: Brief an alle Polizeiangehörigen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Stuttgart. Wenn Thomas Strobl mit „seinen“ Polizisten zusammentrifft, blüht er auf. Hier ist der CDU-Innenminister locker, findet den richtigen Ton. Besonders peinlich ist es nun für Strobl, dass ein von ihm geförderter Karrierepolizist  unter Verdacht steht, klare Grenzen überschritten zu haben.  Das Innenministerium hat die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Dort sieht man einen Anfangsverdacht gegen den „hochrangigen Mitarbeiter der Polizei“, so eine Sprecherin der Behörde. Ermittelt wird wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung. Zwar gilt die Unschuldsvermutung, doch die Vorwürfe wiegen schwer.

Am Dienstag machte Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz alles öffentlich, ohne einen Namen zu benennen. Kurz vorher wurden die Führungskräfte bei einer Videokonferenz informiert. Es stünden „Vorwürfe von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer Mitarbeiterin des Landespolizeipräsidiums im Raum“, steht in einer Mitteilung des Innenministeriums.  Der Beamte wurde suspendiert und ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Die „Stuttgarter Nachrichten“ berichteten als erstes darüber, dass es sich um den Inspekteur der Polizei, Andreas Renner, handelt. Der Name wird unserer Redaktion aus Polizeikreisen und der Landespolitik bestätigt. Renner, der ranghöchste Polizeivollzugsbeamte und auf einer Ebene mit der Landespolizeipräsidentin, soll, so der Vorwurf, eine Hauptkommissarin zum Sex aufgefordert und auf seinen Einfluss auf ihre weitere Karriere verwiesen haben. Nach Informationen unserer Zeitung soll dies unter anderem bei einem Videotelefonat geschehen sein, davon soll es eine Aufnahme geben.  Die Polizistin meldete das. Das Innenministerium will keine Stellung mehr nehmen, es sei mit der Mitteilung alles gesagt.   Renners dienstliche Mail-Adresse meldet auf eine Anfrage zurück, dass der „Eingang nicht mehr gesichtet wird“.

Bei vielen Polizisten habe die Nachricht „Erschütterung“ ausgelöst, berichten Insider.

Im Landespolizeipräsidium im Innenministerium sieht man sich vor einem „riesigen Scherbenhaufen“, vor allem für die jüngst angestoßene Wertekampagne „Nicht bei uns“, für die Renner stand. Für Polizeipräsidentin Hinz ist dies ein gnadenloser Schlag. Die Juristin steht seit Anfang 2020 an der Polizeispitze, Renner war ihr engster Vertrauter, wie man hört. Sie hat in einem Brief alle Polizeiangehörigen „über diesen sehr ernsten und für mich persönlich auch sehr enttäuschenden Hintergrund“ informiert. Dabei nimmt sie zur Wertekampagne Stellung. „Diese Werte und Grundsätze sind nicht nur schöne Worte, sondern werden bei uns gelebt“. Deshalb gehe man jedem internen Verdachtsfall nach, dies gelte auch für „Sexismus jeglicher Art“. 

Renner, damals 47, wurde 2020 als der jüngste Inspekteur, den die Südwest-Polizei je hatte, von Strobl gefeiert. Davor war er ein Jahr Vizepräsident des Landeskriminalamts. Der schnelle Wechsel hatte die FDP zum Nachfragen veranlasst, auch altgediente Polizeibeamte zeigten sich verwundert.

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Erstellt:
27.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 18sec
zuletzt aktualisiert: 27.11.2021, 06:00 Uhr

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