Schicksal

Ein kurzes, glückliches Leben

Johannes Roller veröffentlicht ein Buch über seinen Sohn Tobias, der im Alter von acht Jahren starb. Es ist eine Geschichte von Hoffnung, Freude, Verlust und Trauer.

01.04.2021

Von ULLA STEUERNAGEL

Dieses Foto von Tobias ziert das Cover des Buches „Sonnenfarben“. Foto: Johannes Roller

Dieses Foto von Tobias ziert das Cover des Buches „Sonnenfarben“. Foto: Johannes Roller

Es gibt nicht nur einen Weg, mit Trauer umzugehen. Die einen verkapseln sich, andere krempeln ihr Leben um, wieder andere schreiben. Johannes Roller schrieb ein Buch, das auch anderen Lebenshilfe spenden soll. Das Buch über seinen Sohn, der vor dreieinhalb Jahren starb, ist ein intimes Bekenntnis zu Hoffnung, Enttäuschung, Wissen und Glauben.

Der kleine Tobias Roller gab der Medizin lange Rätsel auf. Schon als Kleinkind konnte er kaum Essen zu sich nehmen und bei sich behalten, er bekam schwer Luft und hatte schon früh völlig zerstochene Venen vom vielen Blutabnehmen. Das Martyrium des Sohnes war zugleich das Martyrium seiner Eltern. Vier Jahre eilte das Tübinger Paar von Diagnose zu Diagnose, von Klinikaufenthalt zu Klinikaufenthalt, bis endlich ein Name für Tobias mysteriösen Zustand gefunden war: STAT, ein seltener Immundefekt. Nur eine Stammzelltransplantation, so erfuhren die Eltern, könnte auf Dauer eine Perspektive geben.

Spröde Knochen

Die langen Klinikaufenthalte von Tobias teilten entweder der Vater oder die Mutter mit ihm. Sie wechselten sich wie im Schichtbetrieb ab, der eine wohnte in der Klinik, der andere hielt die Reste des Familienlebens mit den zwei älteren Schwestern von Tobias am Laufen. Tobias brauchte auch zu Hause nachts die Unterstützung des Vaters, zu dessen Schlaf bald die Geräusche der Ernährungspumpe gehörten.

Es gäbe viel zu schreiben über die vielen Einschränkungen, die Tobias auf sich nehmen musste – ein Junge, der mit anderen Kindern herumtoben will, aber dessen spröde Knochen Stürze aus niedrigster Höhe nicht aushalten und dessen Immunsystem bei jedem Infekt in die Knie gehen kann.

Doch das war „nur“ die Schattenseite in Tobias Leben. Wer den Jungen erlebte, gewann eher den Eindruck, sein Leben spiele sich vor allem auf der Sonnenseite ab. Ein sonniges Kind, das auch auf der Isolierstation in der Tübinger Klinik schnell Freunde und Freude fand. „Ich möchte ab jetzt nur noch in Sonnenfarben malen“, sagte er nach der Stammzelltransplantation zu seiner Kunsttherapeutin. Tobias bezauberte das Klinikpersonal, er überraschte durch seine erstaunlichen medizinischen und technischen Kenntnisse, er saugte, wie sein Vater sagt, Wissen wie ein Schwamm in sich auf. Aber vor allem hatte er die Gabe, die Krankheit nicht sein Leben bestimmen zu lassen. Er malte, bastelte, bereitete anderen mit Geschenken Freude. Er verbrachte zwar Wochen auf der Isolierstation und mehr als anderthalb Jahre seines kurzen Lebens in Kliniken, aber seine Gedanken und Sorgen kreisten nie nur um seine Person.

„Sonnenfarben. Vom traurig-schönen Leben mit unserem Sohn“ hat Johannes Roller zusammen mit der Gießener Journalistin Carmen Bohnacker geschrieben. Es ist ein Buch zum Heulen, nicht nur für diejenigen, die den kleinen Tobias aus Tübingen kannten.

Die Lektüre kann mitunter weniger gottesgläubige Leser befremden. Der Vater von Tobias, Kaufmännischer Leiter einer Tübinger Privatklinik und Bruder der mittlerweile deutschlandweit bekannten Notärztin Lisa Federle, ist ein gläubiger Mensch. Das Buch zeigt aber auch die Hingabe, mit der die Eltern ihr jüngstes Kind unterstützten.

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Erstellt:
01.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 01.04.2021, 06:00 Uhr

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