Bastelbedarf

Ein gutes Gefühl modellieren

Wegen Corona greifen Menschen zu Schere, Papier und Klebstoff. Inspiration liefert das Internet. Altbekanntes wie „Traumfänger“ lebt wieder auf.

28.11.2020

Von JULIA KLING

Der gute alte Traumfänger ist wieder da. Foto: ©Golubovy/shutterstock.com

Der gute alte Traumfänger ist wieder da. Foto: ©Golubovy/shutterstock.com

Ulm. Freizeiteinrichtungen haben geschlossen, das Fußballtraining ist abgesagt und abends noch in die Bar gehen fällt auch aus. In diesem Jahr haben viele Menschen mehr Zeit als üblich zu Hause verbracht und dabei auch wieder das Heimwerken und Basteln für sich entdeckt. Über fehlende Nachfrage kann sich etwa Stephan Rayher daher momentan auch nicht beklagen.

Schon das gesamte Jahr über waren die Produkte des gleichnamigen Bastelbedarfhändlers gefragt. Dennoch wird das Unternehmen Ende des Jahres wohl mit einem Minus abschließen. „Die Ladenschließungen während des Lockdowns im Frühjahr haben uns stark getroffen“, erklärt der Geschäftsführer. Alles in allem hätten ihn die Monate März und April eine Million Euro an Eigenkapital gekostet. „Über unsere verschiedenen Online-Kanäle konnten wir zumindest einen kleinen Teil kompensieren.“

20 000 Produkte im Sortiment

Neben dem eigenen Internet-Auftritt verkauft das Unternehmen mit Sitz in Laupheim unter anderem über den US-amerikanischen Handelsriesen Amazon sein rund 20 000 Produkte umfassende Sortiment. Hinzu kommen 20 Fachhändlershops, die Rayher betreibt. Im vergangenen Jahr lag der Online-Anteil am gesamten Umsatz bei 19 Prozent. „In diesem Jahr ist der Bereich gewaltig gewachsen“, berichtet Rayher. Die Möglichkeiten für Anbieter von Bastelbedarf gehen im Online-Bereich immer mehr auch über den reinen Verkauf hinaus. „Die Firmen können über die Sozialen Medien mit potenziellen Kunden in Kontakt kommen“, sagt Gerlinde Karg, Geschäftsführerin des Verbands Hobby-Kreativ. Diese Chance müssten die Hersteller aber auch nutzen. „Das ist extrem wichtig“, betont Karg. Einerseits, um die eigenen Produkte zu bewerben, andererseits aber auch, um ein Gespür zu bekommen, was gefragt ist.

Gerade als die Geschäfte im Frühjahr geschlossen waren, sei das Internet oft die einzige Möglichkeiten zum Kontakt mit Kunden gewesen. Einige Hersteller hätten die Zeit seither genutzt und gute Konzepte entwickelt. Diese zahlten sich bereits aus, da noch immer auf Einkäufe in den Innenstädten verzichtet werde.

„Es darf niemand mehr glauben, dass ein Unternehmen ohne Internetpräsenz überlebt“, ist Karg überzeugt. Wer sich dem verweigere, werde über kurz oder lang Probleme bekommen. Rayher zufolge beschleunigt die derzeitige Krise einen bereits seit Jahren laufenden Prozess. „2010 gab es noch 3500 Händler in Deutschland, 2019 waren es noch 800“, berichtet der Unternehmen. „Nach der Corona-Krise sind es wahrscheinlich noch 500.“

Im Kreativbereich entwickeln sich Trends immer stärker über Plattformen wie Instagram oder Pinterest. Die Nutzer stellen Bilder ihrer Arbeiten online, die Ideen werden dann von anderen aufgegriffen. Ein Trend entsteht. Karg zufolge können Hersteller hier ihre Expertise einbringen beispielsweise mit Erklär-Videos zu Basteltechniken oder neuen Produkten.

Nachdem im Frühjahr zunächst Gummis für selbstgenähte Masken bei Rayher am stärksten nachgefragt waren, seien jetzt neben Artikeln für Advents- und Weihnachtsbasteleien auch Federn, Schnüre und Metallringe gefragt. „Die Leute basteln wieder Traumfänger“, sagt Rayher. Zudem seien Bastelboxen für Kinder und alles rund um das Thema Farbe gefragt. „Und auch Window Colour“ sind wieder da, berichtet Karg. Diese Technik sei lange nicht mehr gefragt gewesen. „Die Leute machen mit ihren Kindern, was sie aus der eigenen Kindheit kennen.“

Generell habe die Branche in der Krise einen Push bekommen. „Ich denke, dass sich dieser auch festigen wird“, ist Rayer überzeugt. „Die Leute besinnen sich auf das Positive.“

Das kann auch der Stiftehersteller Edding aus Ahrensburg bestätigen. Der Trend zum Upcycling habe seit Beginn der Pandemie an Dynamik gewonnen: Dekoartikel oder Kleinmöbel werden immer häufiger verschönert oder umfunktioniert, anstatt sie in die Tonne zu werfen.

Während Edding kaum Engpässe bei Zulieferern verzeichnen musste, hat Rayher bis heute teils mit Problemen zu kämpfen. Während die Produktion im eigenen Werk in Tschechien läuft, komme es vor allem bei Produkten aus Asien noch zu Verzögerungen.

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Erstellt:
28.11.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 54sec
zuletzt aktualisiert: 28.11.2020, 06:00 Uhr

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