Auf Deutsch und Arabisch
Ein deutsch-syrisches Schauspiel-Projekt im Rottenburger Torbogen-Theater
Ein deutsch-syrisches Theaterprojekt lockte am Wochenende zahlreiche Besucher ins Theater am Torbogen. Sowohl die öffentliche Generalprobe als auch die Premiere von „Herr Rashu hört nicht auf zu nähen“ waren restlos ausverkauft.
Rottenburg. Eine syrische Familie verlässt Damaskus in den ersten Kriegswirren und wagt die Fahrt über das Mittelmeer. Dieses realitätsnahe Drehbuch stammt von der Torbogen-Theatermacherin Heidi Heusch, die auch Regie führte. Samer Rashwani und Katharina Kilian-Yasin berieten und übersetzten. Im Stück wird Arabisch und Deutsch gesprochen.
Das Stück beginnt im Esszimmer der Familie Schmalzky. Saitenwürstchen und Kartoffelsalat. In der Nähe wird ein Kinderspielplatz eingeweiht.
Schnitt nach Damaskus, zu Herrn Rashu. Er ist Schneider und näht immerzu. Von einem Kunden erfährt er, dass ein Bürgerkrieg drohe. Das kann er nicht glauben.
Dann löst ein regierungsfeindliches Graffiti in Dara den Aufstand gegen das Assad-Regime aus. Die jungen Sprüher landen im Gefängnis. Dann wird ein Bombenangriff auf Damaskus gezeigt.
Da muss auch Herr Rashu begreifen, dass Krieg herrscht. In einem Kaffeehaus sucht er einen Schleuser auf. Um das Geld für die Bootsfahrt nach Europa aufzubringen, verkauft er sein ganzes Hab und Gut. Und fleht seinen Onkel an, seinen Sohn in Obhut zu nehmen. Die Fahrt über das Mittelmeer ist zu gefährlich. Drei Tage und Nächte wartet Rashu auf das Auto, das ihn nach Izmir in der Türkei bringen soll. Endlich kommt es und bringt ihn an die Küste.
Im zweiten Akt wird die Überfahrt gezeigt. Bei der Ankunft werden die Flüchtlinge von Journalisten erwartet. Im dritten Akt ist Herr Rashu angekommen – ein Hauch von Happy End.
Der Schneider wird von Fadi Al Ahmad gespielt. Er ist ausgebildeter Schauspieler und kam als Flüchtling nach Deutschland. Eine Flüchtlingsbetreuerin des Tübinger Landratsamts vermittelte ihn ans Theater am Torbogen. Al Ahmad brachte immer mehr Syrer zur Schauspielerei, auch aus Tübingen und Metzingen. Schließlich kamen auch deutsche Laien dazu, für die europäischen Rollen.
Bei den Proben
flossen Tränen
„Die Syrer können so ihre Erlebnisse aufarbeiten“, sagte Reinhard Kilian vom Theater am Torbogen. Anfangs sei das sehr schwer gewesen, sagte Heusch. Tränen seien geflossen, doch mit der Zeit hätten die Syrer gelernt, ihre Rollen zu überzeichnen und auch mal selbst zu lachen – das war übrigens auch dem Publikum erlaubt.
Ziel des Projektes sei zudem, den Europäern die Abwehrhaltung gegenüber Fremden zu nehmen. Die Ursachen der Flucht sollten auf der Bühne thematisiert werden.
Vor einem Jahr begannen die Proben, einmal pro Woche. Seit Dezember probten die syrischen und deutschen Laiendarsteller bis zu drei Mal wöchentlich. Anfangs habe die Pünktlichkeit der Syrer zu wünschen gelassen, sagte Kilian. Auch über das Frauenbild sei viel gesprochen worden. „Die Syrer „sind alle aus gutem Haus und sehr fleißig“, lobte Kilian. Beeindruckt haben ihn vor allem die schnellen sprachlichen Fortschritte.
Das Projekt wird vom Bundesbildungsministerium und vom Literatursommer Baden-Württemberg 2016 gefördert. Damit werden die Anfahrtskosten der Flüchtlinge bezahlt, ebenso wie drei Live-Musiker, die für eine gelungene Untermalung der Stücks sorgten.
Info: Für die nächsten zwei Aufführungen am Freitag, 19. Februar, um 20 Uhr und am Sonntag, 21. Februar, um 17 Uhr gibt es jeweils noch circa 20 Karten. Eine weitere Vorstellung ist am Sonntag, 20. März, um 17 Uhr.