Lifestyle

Ein Hoch auf die Jogginghose

Karl Lagerfeld hatte schon immer Unrecht – und im Lockdown gefällt erst recht, was bequem ist. Doch auch Mode-Experten halten das Gammel-Image des sportlichen Beinkleids für überholt.

21.01.2021

Von Lea Irion

Foto: ©Evikka/Shutterstock.com

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Berlin. Für die einen ist sie eine Zuflucht nach dem endlos langen Arbeitstag, für die anderen ist sie die Modesünde schlechthin: die Jogginghose. Ob geliebt oder gehasst – es gibt wohl kaum einen Kleiderschrank in Deutschland, der ohne sie auskommt. Kein Wunder, denn flexibel einsetzbar ist sie allemal: Sei es für den Sport, fürs Chillen auf dem Sofa oder gar als gewagtes Outfit für die Schule und das Büro. Gern gesehen ist das aber nicht allerorts. Am 21. Januar aber könnte man sich wenigstens auf den internationalen Tag der Jogginghose berufen – und einer Abmahnung vom Chef oder von der Schulleitung entkommen.

Der textile Zweibeiner ist mittlerweile so gut wie überall angekommen. Auch Luxusmarken haben längst den Trend erkannt und eigene Jogginghosen auf den Markt gebracht. Deren Preise bewegen sich in schwindelerregenden Höhen: Die Luxusmarke Gucci listet ein Exemplar aus „technischem Jersey“, das für schlappe 780 Euro erhältlich ist. Man erinnere sich jedoch an den kultigen Spruch der 2019 verstorbenen Modeikone Karl Lagerfeld: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Demnach ist es doch eigentlich ein Widerspruch in sich, „Designer“ und „Jogginghose“ im selben Atemzug zu sagen. Was sagen Experten zu diesem gesellschaftlich relevanten Streitthema?

Ideal fürs Homeoffice

Philipp Kehrer ist stellvertretender Schulleiter der Modeschule Kehrer in Stuttgart. Er hat eine ganz klare Meinung zur Jogginghose: „Gut kombiniert und in der richtigen Ware finde ich sie super, ein bisschen abhängig ist sie von der Figur des Trägers, denn schlank macht diese Hosenform nicht unbedingt.“ Und sowieso, in Zeiten des Homeoffice sei das Stück fast unabdingbar geworden.

Auch an der Modeschule Kehrer ist der Anblick von Schülern in Jogginghosen nicht fremd. Dort aber werden nicht einfach nur graue Stoffhosen mit schwarzen Pullovern kombiniert: bauchfreie Spitzentops und grobe Stiefel sind das Gebot der Stunde. Was empfiehlt der Experte darüber hinaus, damit ein hochwertiger Look trotz Jogginghose gelingt? Philipp Kehrer hat zwei mögliche Outfits zusammengestellt: „Wichtig ist eine gute Passform der Hose. Sie sollte nicht ausgeleiert sein, das Material eventuell mit etwas Elasthan, damit die Hose formstabiler bleibt“, so der Connaisseur. Obendrauf passt eine glänzende, lose Bluse, gerne mit Seidencharakter und eventuell auch mit Schlupf. Abgerundet wird das Outfit mit einer Lederjacke und Stiefeletten. Die zweite Kombination, die Kehrer vorschlägt, setzt eine Jogginghose aus glänzendem Material mit modischen Sneakers oder auch Stiefeletten voraus. Obenrum gesellt sich ein längerer Blazer oder ein kurzer Mantel hinzu, in jedem Fall aber aus matter Ware. Möglich wäre auch hier eine Seidenbluse oder ein Pullover, dieser sollte aber hochwertig sein.

Ein Händchen für Mode aus vergangenen Tagen hat Micha Decker von dem Unternehmen Lumpenbande. Decker vertreibt bereits Getragenes aus vergangenen Jahrzehnten, umgangssprachlich „vintage“ genannt. Auch er denkt, dass sich die Jogginghose im Jahr 2021 keinesfalls mehr verstecken muss – wenn sie ordentlich geschnitten ist. „Sie ist einfach auch ein sehr schönes Modestück und nicht mehr nur ein Nutzgegenstand“, sagt Decker. Worüber sich beide Modekenner aber einig sind: Karl Lagerfelds Kultaussage ist eindeutig überholt.

In Berlin verkauft mittlerweile eine junge Frau unter dem Namen „Karlswrong“ (zu Deutsch: „Karl liegt falsch“) Jogginghosen in edlem Business-Look. Denn auch in Büros scheint der Trend langsam aber sicher anzukommen. „Es lockern sich die Konventionen. In Agenturen, Start-Ups oder im IT-Sektor gilt die Jogginghose oft als trendiges Statement gegen konservative, unbequeme Klamotten“, sagt Philipp Kehrer. Fast schon revolutionär, dieses Stück Stoff.

Kehrer findet, jemand, der zur Arbeit eine Jogginghose trägt, wird entweder unterschätzt oder überschätzt. Unterschätzt deshalb, weil die Kollegen denken könnten, der kommt so schmuddelig daher, der kann sowieso nichts. Und überschätzt hingegen deshalb, weil so mancher Kollege denken könnte, na, wenn es sich derjenige schon leisten kann, in Jogginghose aufzukreuzen, muss seine Arbeit ziemlich genial sein.

So oder so – wer sich am 21. Januar herausnimmt, in einer Jogginghose zur Arbeit zu erscheinen, wird es in den meisten Fällen wohl mit dem Verweis auf diesen besonderen Anlass durchbringen können. Und übrigens: Selbst Karl Lagerfelds Modemarke hat Jogginghosen im Angebot – wenn auch für 175 Euro pro Stück.

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Erstellt:
21.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 21.01.2021, 06:00 Uhr

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