Kommentar über Belästigungen in der Disco

Ein Griff an den Po ist kein Kompliment

Der Club ist voll. Da sind sie wieder: Die Hände eines Fremden schmiegen sich um meine Taille und schieben mich ein kleines Stück auf die Seite.

20.08.2018

Von Linda Peikert

Dann drückt sich der junge Mann an mir vorbei und zwar mit vollem Körpereinsatz. So, dass wir uns an möglichst vielen Stellen berühren. Darauf folgt ein anzügliches Grinsen seinerseits, ein angewiderter Blick meinerseits. Sowas passiert an einem Samstagabend nicht ab und zu, sowas passiert ständig. Ist das schon Belästigung? Oder wollte er einfach nur vorbei? Kann man jemanden nicht einfach bitten, einen Schritt zur Seite zu gehen? Wenn eine Person eine andere quer über die Tanzfläche verfolgt, sich immer in die Nähe stellt, so nahe, dass sie sich irgendwann zwangsläufig berühren, obwohl offensichtlich ist, dass diese andere Person kein Interesse an Kontakt hat, ist das schon Belästigung?

Vor allem als Frau kennt man solche unangenehmen Szenen. Wenn ich mit Freundinnen unterwegs war, sind oft eine oder mehrere solchen unangenehmen Situationen ausgesetzt worden. Als Reaktion von Außenstehenden kommen Kommentare wie: „Sieh es als Kompliment, wenn dir jemand hinterher pfeift.“ Soll ich es dann auch als Kompliment ansehen, wenn mir jemand an den Po fasst?

Und bei wem kann ich mich eigentlich melden, wenn ich in solch eine Situation komme? Und wer nimmt mich dann ernst? Bestimmt kommt deshalb so oft die Aussage von jungen Frauen, sie würden gegenseitig aufeinander aufpassen. Ist das gerecht? Müssen Männer in der Disko auch gegenseitig aufeinander aufpassen? Ich habe miterlebt, wie ein Barkeeper in Tübingen eine junge Frau nicht ernst genommen hat, als sie meldete, ein Typ habe ihr unter den Rock gefasst. Vielleicht mag das ein Einzelbeispiel sein, trotzdem ist es wichtig, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das tut die Kampagne „Arbeitet Uli heute?“. Der Satz dient als Codewort für Personen, die sich bedrängt fühlen und Scham haben, über den Tresen hinwegzubrüllen, was passiert ist. Leider kennen viele Besucher des Tübinger Nachtlebens die Kampagne nicht. Ist sie dann überhaupt nötig?

Ja. Denn die Mitarbeiter der Bars und Clubs wurden für Sexismus und auch Rassismus sensibilisiert, so sieht das auch Christine Arbogast, Tübinger Bürgermeisterin und Gründerin der Kampagne. Der erste Schritt ist somit gemacht. Vielleicht braucht es noch ein paar weitere Schritte, da trotzdem bei vielen noch der Mut fehlt, sich über aufdringliche Anmachen bei den Mitarbeitern zu beschweren, oft wegen der Angst, nicht ernst genommen zu werden oder zu dramatisieren.

Aber die Grenzen dessen, was Belästigung und was noch in Ordnung ist, sind bei jedem eben etwas anders. Das Konzept der Awareness-Beauftragten könnte eine Möglichkeit sein. Sie sprechen Täter und Opfer direkt an. Nach dem Motto: Kommen Betroffene nicht zu uns, strecken wir ihnen eine Hand aus und fragen sie nach ihrem Wohlbefinden. Ein Konzept, dass das Feiern für alle wieder angenehmer gestalten kann. Schade nur, dass es so etwas überhaupt braucht.

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Erstellt:
20.08.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 26sec
zuletzt aktualisiert: 20.08.2018, 01:00 Uhr

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