Finanzen

Durch Kurzarbeit in die Schuldenfalle

Vor allem alleinerziehende Frauen und alleinlebende Männer geraten derzeit häufig in eine finanzielle Schieflage. Das liegt auch an der Corona-Krise. Wer hilft?

08.06.2021

Von CAROLINE STRANG

Viele alleinerziehende Frauen und allein lebende Männer haben Geldsorgen. Foto: ©Monika Wisniewska/shutterstock.com

Viele alleinerziehende Frauen und allein lebende Männer haben Geldsorgen. Foto: ©Monika Wisniewska/shutterstock.com

Ulm. Dass vor allem alleinerziehende Frauen leicht in die Schuldenfalle rutschen können, ist bekannt. Aber Überschuldung trifft auch alleinlebende Männer besonders häufig, wie das Statistische Bundesamt mitteilt.

Wie ist die Lage? „Die Beratungsstellen arbeiten derzeit am Limit“, sagt Roman Schlag vom Caritasverband Aachen. Er ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände. Im vergangenen Jahr konnte wegen der Pandemie weniger beraten werden. Außerdem gebe es einen Antragsstau durch auf dieses Jahr verschobene Insolvenzanträge. Hier gab es inzwischen gesetzliche Erleichterungen, die viele Schuldner noch abwarten wollten. „Die Beratungsstellen sind jetzt total überlaufen und müssen diesen Stau abbauen“, sagt Schlag. Es sei auch festzustellen, dass gerade bei Beratungsstellen, die offene Telefonsprechstunden anbieten, die Drähte mit neuen Anfragen heiß laufen.

Warum geraten vor allem Alleinstehende in finanzielle Schieflage? Das liegt laut Schlag auch an der Kurzarbeit. „Wer sonst 2000 Euro netto zur Verfügung hat, dann durch Kurzarbeit bei 1200 Euro monatlich herauskommt und hohe laufende Kosten hat, kann leicht in eine finanzielle Schieflage geraten.“

Wie hoch sind die Schulden? Durchschnittlich betrugen die Verbindlichkeiten 29?230 Euro, wobei Männer mit 33?050 Euro über dem Durchschnitt und Frauen mit 24?830 Euro darunterlagen. Die über 65-Jährigen trugen dabei mit 49?930 Euro die höchste durchschnittliche Schuldenlast.

Ab wann gilt man als überschuldet? Die Höhe der Schulden spielt keine Rolle, schreibt die Caritas. Wenn die monatlichen Einnahmen über mehrere Monate hinweg nicht ausreichen, um sämtliche Verpflichtungen zu erfüllen wie unter anderem Miete, Energie, Lebensunterhalt, Kreditraten, spreche man von Überschuldung.

Welche Stellen helfen und wann sollte man sich melden? Betroffene können sich an verschiedenen Stellen kostenlos beraten lassen. Träger der Einrichtungen sind gemeinnützige Organisationen wie Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie oder Deutsches Rotes Kreuz. Beratungen bieten auch die Verbraucherzentralen und kommunale Stellen wie Landratsämter. „Im Prinzip sollte man sich schon melden, wenn man merkt, dass man mit seinem Einkommen nicht mehr hinkommt, oder das Konto regelmäßig überzogen ist“, sagt Schlag.

Wann ist eine Privatinsolvenz sinnvoll? In der Beratungsstelle schaue man, welche Budget der Klient oder die Klientin zur Verfügung hat, um die Schulden nach und nach begleichen zu können, erklärt Schlag. „Wenn absehbar ist, dass das innerhalb von drei Jahren nicht geht, dann kann ein Insolvenzverfahren Sinn machen.“ Das werde aber immer genau geprüft.

Welche Folgen hat die Corona-Krise auf das Thema Überschuldung? „Die langfristigen Perspektiven für die Überschuldungsentwicklung sind besorgniserregend, da die Corona-Pandemie auch eine weitere Polarisierung von Einkommen und Vermögen bewirkt“, erläutert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, die jährlich den sogenannten Schuldneratlas herausgibt. Die unteren sozialen Schichten hätten keine oder nur sehr geringe finanzielle Reserven und eine „negative Sparquote“. Bereits Ende letzten Jahres deuteten sich laut Creditreform „finanzielle Überlastungen an, die zeitlich versetzt, zu einem Anstieg der Überschuldungsfälle führen werden“.

Auch Roman Schlag von der Caritas geht davon aus, dass sich der Beratungsbedarf weiter erhöht. „Arbeitslosigkeit und psychische Erkrankungen sind häufig Auslöser für Überschuldung“, erklärt er. Außerdem gebe es inzwischen vermehrt Anfragen von Solo-Selbstständigen.

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Erstellt:
08.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 08.06.2021, 06:00 Uhr

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