Tübingen · E-Mobilität

Die ungeliebten Fremdparker

An den Ladestationen für Elektroautos wird nicht nur Strom getankt. Auch Besitzer von Autos mit Verbrennungsmotoren nutzen die Parkplätze gern.

10.08.2019

Von Ulrich Janßen

Einmal korrekt, einmal falsch geparkt: Die E-Ladesäulen vor dem Tübinger Freibad sind nicht nur bei E-Autofahrern begehrt.Bild: Anne Faden

Einmal korrekt, einmal falsch geparkt: Die E-Ladesäulen vor dem Tübinger Freibad sind nicht nur bei E-Autofahrern begehrt.Bild: Anne Faden

Bevor Hannes Becker mit seinem Plug-in-Mitsubishi die Ladestation am Tübinger Freibad anfuhr, hatte er sich auf der Stadtwerke-App informiert. Eine der beiden Ladesäulen sei „verfügbar“, hieß es dort. Für Besitzer von E-Autos mit Akku eine wichtige Info: Sie müssen immer einen Blick auf den Ladezustand ihres Akkus haben.

Becker hatte seine Ladezeit gut kalkuliert. Zwei Stunden dauerte der Schwimmunterricht für seine Kinder, in dieser Zeit wollte er den Akku wieder füllen. Doch vor dem Freibad erwartete ihn eine böse Überraschung. Auf dem Parkplatz für E-Autos stand ein großer schwarzer Dacia, ein Auto mit Verbrennungsmotor. „Der Fahrer“, ärgert sich Becker, „bekam praktisch kostenfrei einen Platz in der ersten Reihe, direkt am Eingang.“ Gleich neben den E-Auto-Plätzen beginnen nämlich die regulären Parkplätze. Zwei Euro kostet dort das Ticket.

Billig parken vor dem Freibad

Becker ist ein Mensch, der nicht so schnell aufgibt. Er rief bei den Stadtwerken an, den Betreibern der Ladesäulen. Man kenne das Problem, hieß es dort, sei aber nicht zuständig für Verwarnungen. Vielleicht könne Becker den Fremdparker ja im Freibad ausrufen lassen? Das aber hatte der entnervte Vater schon erfolglos versucht. Ihm wurde mitgeteilt, dass im Freibad nur jemand ausgerufen wird, wenn etwa ein Kind ertrinkt, nicht bei Parkproblemen.

Gegenüber dem TAGBLATT bestätigte Stadtwerke-Pressesprecher Johannes Fritsche die Angaben des Mitsubishi-Fahrers. Rein rechtlich dürfe man zwar auf E-Lade-Parkflächen nur „während des Ladevorgangs“ parken. Daran aber hielten sich längst nicht alle Autofahrer. Nicht nur Fahrer von Diesel- oder Benzinautos nutzten die kostenfreien Parkplätze gern, auch E-Autofahrer überschritten immer wieder die Ladezeit. Doch weil das Unternehmen für die Parkraum-Bewirtschaftung und Beschilderung nicht zuständig ist, seien den Stadtwerken „die Hände gebunden“.

Zuständig ist die „Fachabteilung Verkehrsrecht und Ordnungswidrigkeiten der Universitätsstadt“, doch auch deren Möglichkeiten sind begrenzt, wie Becker von Boris Palmer persönlich erfuhr. Auch den Oberbürgermeister hatte Becker in seinem Ärger angeschrieben.

Gegenüber dem TAGBLATT bekundete der OB zwar „Verständnis für den Ärger“, sah aber auch wenig Möglichkeiten einzuschreiten: „Es ist offenkundig unmöglich, das regelwidrige Abstellen von Fahrzeugen komplett zu verhindern. Das ist bedauerlich, aber Fakt.“ Immerhin will Palmer nach den Sommerferien prüfen lassen, ob es vielleicht doch noch Möglichkeiten gibt.

Knöllchen schrecken kaum ab

Derzeit kann die Stadtverwaltung, wenn der Parkplatz durch Bodenmarkierungen eindeutig als E-Lade-Zone ausgewiesen ist, maximal 10 Euro Verwarnungsgeld erheben. Mehr gebe der „Tatbestandskatalog für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten“ aktuell nicht her, teilte die städtische Pressestelle mit. Für Fremdparker ist das wenig abschreckend. Schließlich sparen sie auf dem illegalen Parkplatz das Geld für ein reguläres Ticket, das oft ähnlich viel kostet. Abschleppen lässt die Stadt die Parksünder dennoch nicht: „Wenn der Falschparker lediglich das Aufladen eines anderen Fahrzeugs verhindert, ist das nicht verhältnismäßig.“ Und vor Gericht entsprechend schwer durchzusetzen.

Auch Teilauto-Fahrer betroffen

Anders ist es bei der Firma Teilauto. Das regionale Carsharing-Unternehmen hat, wie Vorstandsfrau Elke Gold bestätigt, immer wieder mit Autofahrern zu kämpfen, die illegal auf Parkplätzen parken, die das Unternehmen gepachtet oder von der Stadt überlassen bekam. Ärgerlich ist das für den Fahrer und das Unternehmen gleichermaßen. Erst muss der Teilauto-Fahrer einen anderen, meist kostenpflichtigen Parkplatz suchen (die Gebühr übernimmt Teilauto), dann muss die Firma auch noch eigens einen Fahrer losschicken, um das Auto wieder umzuparken.

Immerhin kann Teilauto als formeller Besitzer der Plätze, genau wie etwa Supermärkte, auf eigene Initiative einen Abschleppwagen bestellen. Das allerdings ist nicht ohne Risiko. Viele Abschleppdienste verlangen Vorkasse vom Auftraggeber, der das Geld dann mühsam von den Fremdparkern wieder eintreiben muss. Kein Wunder, dass auch Teilauto aufs Abschleppen lieber verzichtet. „Die kriegen“, sagt Fuhrparkleiter Andreas Koppo, „erstmal ein Din-A-5-Blatt an die Windschutzscheibe gesteckt.“ Immerhin macht Koppo stets ein Foto vom Parksünder. „Beim nächsten Mal lassen wir dann abschleppen.“

Parken auf Behinderten- und Frauenparkplätzen

Wer als Mann auf einem exklusiv für Frauen ausgewiesenen Parkplatz sein Auto abstellt, muss rein rechtlich keine Verwarnung fürchten. Frauen- oder auch Familienparkplätze sind bislang nicht in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen, es fehlt deshalb die rechtliche Grundlage für ein Knöllchen. Allerdings haben die Besitzer solcher Plätze die Möglichkeit, Fremdparker des Platzes zu verweisen. Da sie über das Hausrecht verfügen, können sie besonders renitenten Parksündern sogar dauerhaft Hausverbot erteilen. Anders ist es bei Behindertenparkplätzen. Sie sind unter der Nummer 142278 formell in den Tatbestandskatalog aufgenommen, weshalb die Kommunen Knöllchen verteilen dürfen. Fremdparker auf Behindertenparkplätzen müssen mit 35 Euro Verwarnungsgeld rechnen.

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Erstellt:
10.08.2019, 01:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 16sec
zuletzt aktualisiert: 10.08.2019, 01:30 Uhr

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