Animierte und animierende Eiszeit

Die Venus vom Hohle Fels kann jetzt tanzen

Nicht anfassen, steht auf fast allem, was alt und wertvoll ist. Kunst ist meistens unberührbar, und auch von historischen Zeugnissen sollte man die unqualifizierten Pfoten lassen. Wenn man einmal gesehen hat, wie behutsam und nur per Handschuh-Berührung der Tübinger Urgeschichtler Nicholas Conard seine neuesten ältesten Funde bei Pressekonferenzen präsentiert, dann spätestens weiß man, dass diese Objekte nur einen zarten Umgang erlauben.

12.06.2017

Von Ulla Steuernagel

Man muss sich eben klarmachen, wie viele Jahrtausende die kleine Venus beispielsweise gut verpackt in den Erdschichten des Hohle Fels auf der Schwäbischen Alb überlebt hat, dann drängt es einen, sie vor der menscheneigenen Tollpatschigkeit in Schutz zu nehmen. Nur gut, wenn sie hinter Glas vor den Übergriffen von Laien sicher ist.

Die frühen Zeugnisse menschlichen Gestaltungsdranges, wie Venus oder Pferdchen, halten ihre gegenwärtigen Betrachter auf Abstand und zeigen sich so, wie die Museumsleute sie präsentieren wollen. Mit ihren Schokoladenseiten. Doch wie sehen Mammut, Pferdchen, Venus aus anderen Perspektiven aus? Ihr Geheimnis!

Dieses Geheimnis teilt nun, wer will, mit ihnen. Die Figürchen hatten äußerst fruchtbare Dates mit dem 3-D-Zeitalter und zeigen nun neue Versionen ihrer selbst.

So kann man die Venus jetzt anfassen anklicken, umdrehen, flachlegen (bitte keine Hintergedanken!). Und wer sie anklickt, kann sie nicht nur groß- oder kleinziehen, er kann ihre Kehrseite betrachten, zum Walzer, Rumba oder Tango auffordern – er kann die Venus regelrecht animieren.

Sie tanzt nun nicht mehr nur nach Eiszeitflöte, sondern nach der Pfeife eines jeden, der sich dazu berufen fühlt. Man kann die Figur, die – so böse wie nicht ganz falsch – mit einem Hühnchen verglichen wurde, unter www.iceageart.de aufstöbern und das angehende Weltkulturerbe auf den eigenen Computer nach Hause holen.

Jetzt in 3D zu besichtigen: Die Venus vom Hohle Fels von hinten. Screenshot: iceageart.de

Jetzt in 3D zu besichtigen: Die Venus vom Hohle Fels von hinten. Screenshot: iceageart.de

Die Denkmalpflege Baden-Württemberg teilte dies soeben stolz der Presse mit und schon schlittert diese vergnügt ins „Ice age“. Nicht nur die Höhlen der Eiszeitkunst „gehen online“ oder sind schon im vergangenen Jahr in den virtuellen Raum vorausgeeilt. Nun ist auch, wie die Denkmalpfleger schreiben, ein „bedeutender Schritt in der virtuellen Präsentation des nominierten Welterbes“ getan. Vier Elfenbeinfiguren machen den Anfang in 3-D: die Venus und der Wasservogel vom Hohle Fels, das Pferdchen und ein Mammut aus der Vogelherdhöhle. Sie werden nicht die einzigen sein. Nach und nach werden die Eiszeitfunde zum Tanz ins Computerzeitalter geholt. Die Digitalisierung der Urzeit-Zeugnisse schreitet also unaufhaltsam voran. Hoffen wir nur, dass Nicholas Conard und sein Team mit dem Finden neuer ältester Objekte nachkommen.

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Erstellt:
12.06.2017, 01:05 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 04sec
zuletzt aktualisiert: 12.06.2017, 01:05 Uhr

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