Bühne
Die Tonne spiegelt die Welt
Nach Jahren des Provisoriums bekommt das Theater der Stadt Reutlingen ein neues Zentrum.
Reutlingen. In Zeiten, da Bühnen eher fusioniert oder weggespart werden, ist dies eine Seltenheit: Die Stadt Reutlingen hat ihrem Tonne-Theater ein neues Domizil gebaut. Heute und morgen öffnet der Neubau erstmals seine Türen fürs große Publikum mit einem buntem Schnupper-Programm.
Damit endet eine Zeit des Provisoriums: 14 Jahre lang konnte die Tonne, deren Hauptbühne im Spitalhofkeller nicht ausreicht, zusätzlich eine alte, ehemalige Fabriketage bespielen, die Planie 22. Doch die Betriebserlaubnis dort lief aus, eine Lösung musste her.
Der jetzt in 21 Monaten Bauzeit hochgezogene neue Gebäudekomplex umfasst vor allem einen großen Saal mit 200 Plätzen und eine bespielbare Probebühne. Nach dem Soziokultur-Zentrum franz.K (2008) und der Stadthalle (2013) wurde somit auch die dritte, letzte Forderung der städtischen Kulturkonzeption nach einem Theatersaal eingelöst.
Klar, dass der Neubau für die Tonne einen Riesensprung nach vorne bedeutet. Unter Intendant Enrico Urbanek, der seit 2001 im Amt ist, bietet das Kleintheater das übliche Spektrum von Klassikern bis hin zu Uraufführungen, aber auch überregional beachtete Besonderheiten. Dazu zählt eine eigene inklusive Sparte, die regelmäßige Produktionen sowie spezielle Arbeitsplätze umfasst. Und auch das jährliche, stark gefragte Festival der Monologe, das „Monospektakel“, dürfte bundesweit Seltenheitswert haben.
Ganz ohne Reibungen ging der Neubau freilich nicht über die Bühne. Es gab Mängel bei der Planung und Ausführung, vor allem bei der reflektierenden Fassade, die gleichsam die Welt drumherum wie in einem Spiegel abbilden soll – als Sinnbild für den Auftrag von Theater. So stiegen, trotz Deckelung auf 8,4 Millionen, die Kosten zum Ärger der Stadt auf fast elf Millionen Euro.
Urbanek, der ohne festes Ensemble arbeitet, plant im Neubau unter anderem eine Historien-Revue „Von Weimar bis Merkel“ (Premiere: 25. Januar) und ein Musiktheater-Projekt mit der Württembergischen Philharmonie: „Through Roses“, die Geschichte eines Geigers, der Auschwitz überlebte (10. Februar). Otto Paul Burkhardt