Stuttgart 21
Die Schienen sind verlegt: Erstmals durchgängige Verbindung auf der Neubaustrecke
Die 120 Kilometer Gleis der Neubaustrecke liegen so gut wie vollständig. Bald fahren erste Züge.
Mühlhausen. Es ist noch kein Zug, aber immerhin ein Schienenfahrzeug, das an diesem sonnigen Herbsttag aus Richtung Stuttgart über die neue Filstalbrücke rollt. Auf der Draisine, einem mit Muskelkraft betriebenen Schienenfahrrad, sitzen Olaf Drescher, Chef der Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm, und Berthold Frieß, Ministerialdirektor im Stuttgarter Verkehrsministerium.
Mit der symbolischen ersten Bahnfahrt auf der 85 Meter hohen Eisenbahnbrücke feiert die Bahn. Grund für die Freude ist die erste durchgängige Schienenverbindung auf der Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm. Für den 60 Kilometer langen Abschnitt haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn 120 Kilometer Gleis und 240 Kilometer Schienen verlegt. Theoretisch könnten Olaf Drescher und Berthold Frieß also mit ihrer Draisine von Wendlingen bis nach Ulm fahren – so es denn die Muskelkraft hergeben würde. Einzig auf dem Gegengleis würde das noch nicht funktionieren, denn auf dem zweiten Teil der Filstalbrücke in Fahrtrichtung Stuttgart fehlen noch die notwendigen Gleise. Im Februar 2022 sollen erste Testzüge die Strecke befahren.
Drescher spricht von einem „weiteren Meilenstein“ und betont den Fahrzeitgewinn von zunächst 15 Minuten, den Fahrgäste zwischen Ulm und Stuttgart mit der geplanten Inbetriebnahme der Neubaustrecke im Dezember 2022 erreichen. 2025, wenn der neue Tiefbahnhof in Stuttgart in Betrieb gehen soll, wächst die Zeitersparnis auf 30 Minuten an. „Auf der neuen Bahnstrecke wird man bedeutend schneller unterwegs sein als auf der Autobahn“, sagt Drescher.
Berthold Frieß betont die Bedeutung der Neubaustrecke für den regionalen Schienenverkehr. Mit dem neuen Regionalhalt in Merklingen werde „eine ganze Region neu für den Schienenverkehr erschlossen“. Zudem entlaste die Verlagerung der Züge auf die Neubaustrecke die bisherige Strecke durchs Filstal: „Die freiwerdenden Kapazitäten können für den Ausbau des Regionalverkehrs genutzt werden“.
Betrieben wird die stündliche IRE-Verbindung zwischen Wendlingen und Ulm ab Dezember 2022 von DB Regio. Man habe vom Land den Zuschlag erhalten, teilte die Deutsche Bahn mit. Einen großen Fahrzeitgewinn gibt es für Pendlerinnen und Pendler im Regionalverkehr dadurch zunächst nicht. Weil die Strecke zwischen Wendlingen und Stuttgart bereits stark ausgelastet ist, enden die IRE-Züge aus Ulm vorers in Wendlingen und Fahrgäste müssen in den aus Tübingen kommenden Zug in Richtung Stuttgart umsteigen. Hätte man die Züge nach Stuttgart durchgeleitet, hätte wohl die Pünktlichkeit gelitten, erklärt Berthold Frieß. Die brauche man aber für die Akzeptanz des Bahnverkehrs. David Nau