Landeskonvent

Die SPD kann endlich mal jubeln

Mit breiter Brust und großen Zukunftsversprechen absolvieren die baden-württembergischen Sozialdemokraten ihren ersten Landesparteitag nach der gewonnenen Bundestagswahl.

25.10.2021

Von Jens Schmitz

„Wir sind wieder da“: SPD-Landescehf Andreas Stoch in Freiburg.  Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

„Wir sind wieder da“: SPD-Landescehf Andreas Stoch in Freiburg. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Freiburg. Draußen leuchten rote SPD-Fahnen unter blauem Himmel, auch in der Halle könnte die Stimmung nicht besser sein. „Alle zufrieden, alle glücklich, alle strahlen!“, ruft ein Landtagsabgeordneter schon vor Beginn. „Rot Gesagte leben länger“, witzelt später sein Mannheimer Kollege Stefan Fulst-Blei auf der Bühne. „Das hat ungeheuer gut getan, dieser Wahlsieg!“ Katja Mast (Enzkreis), Vizepräsidentin der Bundestagsfraktion, wiederholt die Sensation sicherheitshalber: „Man kann’s gar nicht oft genug sagen – wir haben die Bundestagswahl gewonnen!“

Offiziell dient der Parteitag dazu, Delegierte zu wählen, doch das prägende Thema ist natürlich ein anderes: Die Sozialdemokraten sind zum vierten Mal im Bund stärkste Kraft geworden. In Baden-Württemberg lagen sie zuletzt in Umfragen vor der Union, das gab es noch nie. „Wir sind wieder da!“, ruft der Landeschef und Vorsitzende der Landtagsfraktion, Andreas Stoch, den 290 Delegierten zu.

Der frühere Kultusminister ist bei den Koalitionsverhandlungen im Bund Chefunterhändler für den Bereich Bildung. In den neuen Bundestag entsendet die Südwest-SPD 22 Abgeordnete, darunter acht mit Migrationsgeschichte, fünf unter 35, fünf über 60 Jahren. „Diese SPD ist jung, sie ist vielfältig und sie ist ein Abbild unserer Gesellschaft“, ruft Stoch. Die Pandemie habe gezeigt, dass die SPD die besten Lösungen bereit halte; davon wollten die Menschen mehr. „Wir haben jetzt die Chance, wirklich eine neue Zeit einzuleiten!“ Das Wahlergebnis sei Rückenwind für das zentrale Versprechen der Partei: „Wir versprechen einen Weg in die Zukunft, vor dem niemand Angst haben muss, weil wir jeden Menschen auf diesem Weg mitnehmen, weil wir den Wandel nicht nur erleben, sondern ihn gestalten und begleiten.“

Auch die Bundesvorsitzende Saskia Esken hängt die Latte in ihrer Rede hoch: „Wir wollen Geschichte schreiben!“ Es gehe darum, den Sozialstaat für das 21. Jahrhundert zu bauen. Die Ampelregierung werde keine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners. „Wir werden eine Fortschrittskoalition sein.“

Vom Lagerkrieg, dem Messerwetzen auf früheren Koventen ist in Freiburg nichts zu spüren. „Es ist etwas passiert in unserer SPD“, lobt Stoch. „Wir alle haben dafür gesorgt, dass die SPD in diesen nicht einfachen Zeiten für unser Land geschlossen und mit klarer Haltung da steht, dass es bei uns eben um Inhalte und um politische Ziele geht, nicht um Selbstbeschäftigung und vor allem auch nicht darum, immer nur den politischen Gegner schlechtzumachen.“

Ein Redner nach dem anderen identifiziert Anstand nach innen wie außen als zentralen Erfolgsfaktor eines Wahlkampfs, der auch unter dem Schlagwort „Respekt“ geführt worden war. „Um Respekt geht es auch den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land“, sagt Kanzler in spe Olaf Scholz in einem Video-Grußwort. „Dass die SPD in Baden-Württemberg so gut abgeschnitten hat, das freut mich ganz besonders.“ Dass das seither in Umfragen bestätigt werde, „das ist toll.“

Für die Landtagswahl im März, bei der die SPD mit elf Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, war der Stimmungsumschwung im Bund zu spät gekommen. Stoch macht kein Hehl daraus, dass er die abermalige Entscheidung der Grünen im Land für eine Koalition mit der CDU für einen Fehler hält. Er sieht aber Chancen für Augenhöhe 2026; bis dahin werde die SPD die Regierung zum Handeln treiben. „Als stärkste Oppositionsfraktion wollen wir dieses Land voranbringen. Denn Grün-Schwarz wird weder die Kraft noch die Motivation für die Erneuerung aufbringen, die in Baden-Württemberg notwendig ist.“

Es gibt genug Redner, die davor warnen, sich auf den Erfolgen auszuruhen. Vor allem junge Redner weisen darauf hin, dass die SPD unter Erstwählern hinter FDP und Grünen gelandet ist. Mehrere mahnen, Klimaschutz nicht nur als Wirtschaftsthema, sondern ganzheitlich zu denken.

Im Leitantrag werden eine Gesellschaft des Respekts, industrielle Modernisierung, Klimaschutz und ein souveränes Europa als zentrale Themen identifiziert. Zum Thema Vielfalt beschließt der Parteitag einstimmig einen Antrag für mehr Unterstützung queerer Menschen. Zu den Forderungen gehören die Berücksichtigung in Corona-Verordnungen, in Asylverfahren, in der Jugendarbeit, im ländlichen Raum und in der psychologischen Beratung.

Schluss mit Kreufahrten im Namen der SPD

Gegen Kreuzfahrten, die der parteieigene SPD-Reiseservice anbietet, richtete sich ein Antrag des Kreisverbands Karlsruhe-Stadt: Solche Hochsee-Urlaubsangebote seien mit dem Engagement der Genossen für den Klimaschutz nicht vereinbar, hieß es. Der Antrag wurde angenommen. Jetzt ist der SPD-Bundesvorstand aufgefordert, sich dazu zu positionieren. dpa

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Erstellt:
25.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 25.10.2021, 06:00 Uhr

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