Tag für Tag, Tag für Tag

Die Musical Academy zeigt eine Rebellion im Gewand einer Komödie

Das Musical „9 to 5“ führt tief in die Bürowelt der siebziger Jahre und zwar aus der Perspektive einiger Frauen, die gerade dabei sind, sich zu emanzipieren – eine Rebellion im Gewand einer schrillen, schrägen Komödie / Freitag ist Premiere.

14.06.2017

Von Peter Ertle

„9 to 5“ – auf der Bühne getanzt und gesungen macht so ein Arbeitstag schon ziemlich Spaß. Bild: Sommer

„9 to 5“ – auf der Bühne getanzt und gesungen macht so ein Arbeitstag schon ziemlich Spaß. Bild: Sommer

Manchmal ist es so im Theater: Kaum ist Probenpause, stieben die Akteure in alle Richtungen auseinander. Ganz anders hier: In der Pause des ersten Durchlaufs scharen sich die Schauspieler sofort zu Gruppen, die größte bildet sich um den musikalischen Leiter Jonas Kronmüller, während hinten der Regisseur mit der Licht- und Tonregie die Köpfe zusammensteckt. Wildes Durcheinandergeplapper, Gesprächsfetzen: „Da muss mir nächstes Mal jemand helfen, wenn wir das wegschieben“ – „Hatten wir das so, wie wir’s jetzt gespielt haben?“ – „Das dauert viel zu lange“ – „Nein, nein, das war sehr gut, das hat mir gefallen“ – „Wer hat denn in den einen Klotz meinen Hut reingelegt?“ Wahrscheinlich könnte jetzt im Hintergrund ein Brand ausbrechen, keiner würde es registrieren.

Wir sind im Kino Löwen, bei den Endproben der Musical Academy. „9 to 5“ heißt das neue Stück, geht auf einen Kinofilm von und mit Dolly Parton aus dem Jahre 1980 zurück, 2008 hatte dann das Musical in Los Angeles Premiere. Ein so frauenkämpferisches wie trotzdem leichtes, witziges Stück, das einen in die Bürowelt der siebziger Jahre zurück beamt. Der Zuschauer kämpft an der Seite von Judy, Violet und Doralee gegen den ekelhaften Chef Franklin Heart – wobei Doralee lange von ihren Kolleginnen gedisst wird, weil der Chef so tut, als habe er mit ihr, der verheirateten Frau, ein Verhältnis. Doalee leidet unter ihrem Blondchen-Dummchen-Sexbombenimage. Judy wiederum emanzipiert sich gerade zuhause und nimmt den ersten Job ihres Lebens an. Und Violet ist die selbstbewussteste im Bunde. Drei sehr unterschiedliche Rollen. Mit ihren Darstellerinnen hat die Musical Academy drei Pfunde in ihren Reihen.

Vier! Denn komplettiert wird das Trio von Roz, Verwaltungssekretärin, die ein Auge auf den Chef geworfen hat und also auf seiner Seite steht. „Sie konnte sich die Rolle erst überhaupt nicht vorstellen, aber jetzt ist sie glücklich damit“, kommentiert Regisseur Christian Wasilewski, sichtlich stolz auf das, was er da schon vorher bei seiner Darstellerin wahrgenommen und dann herausgekitzelt hat.

Seine Ausbildung absolvierte Wasilewski in Jazz und Musical Dance in Amsterdam an der Hochschule für Künste, seit 2015 ist er bei der Academy dabei. Die Arbeit mit den Laien gibt ihm immer wieder einen Kick. Wobei – Doralee, Amerikanerin, hat schon aus den Staaten Musicalerfahrung mitgebracht. Auch das kommt vor, wenn auch selten, in diesem hauptsächlich studentischen, fakultätsübergreifenden Ensemble.

Auch ein paar bereits Berufstätige sind dabei, denn viele bleiben über Jahre dort. Dazu gesellen sich immer wieder Neueinsteiger, die üblichen Vereinsprobleme mit dem Nachwuchs haben sie hier nicht. Es ist auch die einzige Adresse für Musicalinteressierte in Tübingen. Und nimmt man mal die üblichen Verhältnisse im Kulturbereich zum Maßstab, ist der Frauenüberschuss auch nicht mehr als branchenüblich, heißt: Es gibt auch Männer.

Die kommen in diesem Musical schlecht weg: Judys Ehemann, ein Kotzbrocken, der auch nach seiner reumütigen Wende nicht mehr von ihr erhört wird. Und der Chef, der – nein, das dürfen wir jetzt nicht verraten. Geben aber einen kleinen Hinweis, indem wir den deutschen Titel des Kinofilms nennen: „Warum eigentlich . . . bringen wir den Chef nicht um?“

Wurde im letzten Academy-Musical „Rent“ das Stück noch fast zur Gänze gesungen, wird hier auch viel erzählt, zur Hälfte ist es Theater, der musikalische Leiter hat trotzdem alle Hände voll zu tun. Erst ist er mit dem Ensemble bei den Gesangsproben allein, später wird das mit den Proben zum Stück zusammengeführt. Im Stückablauf hakt es an diesem Samstag manchmal noch, mal fällt eine Stellwand um, mal dauert es eine Minute, bis ein Schauspieler auf die Bühne kommt – vielleicht hat der Reißverschluss seines Kostüms geklemmt.

Bühnenbildtechnisch arbeiten sie relativ reduziert, mit drei schwarzen Quadern, aus denen flugs Schreibtische werden und drei weißen, hochformatigen Stellwänden, die entsprechend beleuchtet und mit geisterhaft sich öffnender Türe zum Aufzug werden. Kein Spektakel also, sondern old school Theatralik.

Die deutsche Fassung von „9 to 5“ wird immer wieder mal wo gespielt, so gab es Rückmeldungen an den Verlag, der den Text jüngst noch mal nachgebessert hat. Die Rechte kosten eine Stange Geld, aber nachdem „Rent“ so ein Erfolg war, immer ausverkauft, sehen sie das Risiko nicht so hoch. Und haben auch diesmal von vornherein eine Vorstellung mehr anberaumt.

Zum Artikel

Erstellt:
14.06.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 15sec
zuletzt aktualisiert: 14.06.2017, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!