Tübingen · Stories

Kurzgeschichtenwettbewerb: Die Macken der KI

Intelligente Parkbänke und liebende Maschinen: Die Preise für den KI-Schreibwettbewerb wurden übergeben.

12.11.2023

Von Fred Keicher

Tetiana Trofusha las ihre Geschichte selbst vor. Für den ersten Preis erhielt sie 1200 Euro. Bild: Anne Faden

Tetiana Trofusha las ihre Geschichte selbst vor. Für den ersten Preis erhielt sie 1200 Euro. Bild: Anne Faden

Künstliche Intelligenz (kurz KI) hätte das Zeug zu einer zeitgemäßen Utopie. Beim Schreibwettbewerb unter dem Motto „Mensch und Maschine“ im Rahmen der „Science und Innovation Days“ zeichneten die prämierten Geschichten eine pechschwarze Zukunft oder auch eine scharfe Satire.

Am Freitagabend wurden die drei ersten Preise und ein Sonderpreis im Weltethos-Institut vergeben. Der Schreibwettbewerb war ein Gemeinschaftsprojekt des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik und des SCHWÄBISCHEN TAGBLATTs, dessen stellvertretender Chefredakteur Ulrich Janßen den Abend moderierte. Die Geschichten las der Schauspieler Rupert Hausner.

Der dritte Platz (und 300 Euro Preisgeld) ging an Benjamin Voßler. Der Lehramtsstudent hat über seine Geschichte „Zeitalter Zwei“ eine Woche lang nachgedacht und sie an einem Abend geschrieben. Sie spielt in einer sehr fernen Zukunft, im Jahr 2365, alles Menschliche scheint ausgerottet. Aber – so die Jury zur Begründung der Preisvergabe – es gibt „weiterhin Konflikte, Aberglauben, Mythen und so etwas wie Wahn“. Die Frage steht im Raum: „Zu wie viel Unvernunft sind eigentlich Maschinen demnächst fähig?“ Über eine ziemlich schwarze Zukunft schreibt Udo Renner in seiner satirischen Geschichte „Jonas, Melanie, Thomas“. In der von Maschinen beherrschten Welt gibt es noch 128 Menschengebiete. Sie übergeben „zu Verständigungszwecken“ Babys an die Maschinen. Jonas ist so ein bestens geeignetes Menschenkind mit skalierbarer Traurigkeit. Was machen die Maschinen: Sie frieren Jonas ein. „Das strahlende Blau in den Pupillen weicht einem hellen Grau.“ Die Jury: „Die Geschichte lässt uns, wie jede gute Dystopie und jede gute Satire, ziemlich hoffnungslos zurück.“ Platz zwei plus 500 Euro für den Autor.

In den Raketen-Krieg führt Tetiana Trofushas erstplazierte Geschichte „Mutterliebe“. Hier kämpfen Menschenmütter gegen Maschinenmütter um ein Mädchen namens Lea. Sie erlebt ihre leibliche Mutter als jemanden, „die mich in nicht sterilen Umständen aus sich herausgepresst hat“. Die Maschinen-Mutter nennt sie „Mama“. Die sagt im Kriegsgetümmel: „Lea, ich werde dich retten.“ Es ist eine rasant geschriebene Geschichte, die sofort verfilmt werden könnte. Trofusha hat das Drehbuchschreiben an der Stuttgarter Hochschule der Medien studiert.

Als Zwischenakt referierte Marcel Binz vom MPI für biologische Kybernethik über KI. Er zeigte, wie man mit ChatGPT einen Text „wie Dürrenmatt“ erzeugen könne, wie das Programm aber an einer einfachen Rechenaufgabe scheitert: „Das Programm rechnet nicht selbst. Offensichtlich hat es im Netz eine Lösung gefunden.“ Die war aber falsch. „Was im Inneren des Computers vor sich geht, wissen wir nicht. Das ist wie beim Menschen.“

Ein Teilnehmer, der unter dem Pseudonym „Frankie Punkenstein“ auftrat, reichte die anspielungsreiche Geschichte „Seat KI.t.t.“ ein. In Tübingen herrscht bei ihm die Intelligenz, aber eine künstliche, die selbst auf Parkbänken aktiv ist und Apps zwangsweise installiert. Dann aber geht in Münsingen, dem Ort tödlicher Waffen, ein Training mit Kampfdrohnen gründlich schief. Die machen sich selbstständig, fliegen Richtung Tübingen. „Aber man hat uns versprochen, niemand würde zu Schaden kommen“, ruft der verzweifelnde Offizier im Leitstand.

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Erstellt:
12.11.2023, 20:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 30sec
zuletzt aktualisiert: 12.11.2023, 20:00 Uhr

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