Pop

Adele: Die Diva lebt den Soul

Auf ihrem Album „30“ entführt Adele die Zuhörer in intensive Gefühlswelten – mit der Strahlkraft ihrer Stimme und raffinierten Arrangements.

20.11.2021

Von Udo Eberl

Auf den Leib geschrebene Songs: Adele und die Produzenten präsentieren auf der jüngsten Scheibe eine breite Mischung von Balladen über R’n’B bis Soul. Mit reichlich Hit-Potenzial. Foto: Cliff Lipson / dpa

Auf den Leib geschrebene Songs: Adele und die Produzenten präsentieren auf der jüngsten Scheibe eine breite Mischung von Balladen über R’n’B bis Soul. Mit reichlich Hit-Potenzial. Foto: Cliff Lipson / dpa

London. Die vergangenen Wochen hatten es wirklich in sich: Erst waren da die neuen Alben der britischen Superstars Coldplay, Ed Sheeran oder Elton John, die eher auf locker konsumierbaren Popcorn-Pop ohne jegliche Nebenwirkungen setzen. Dann die mit Jubel gefeierte Wiederauferstehung der vier Schweden von Abba, die live nur zum virtuellen Ereignis werden, und nun also mit Adele der vermeintliche Pop-Höhepunkt des Jahres.

Mit dem Single-Vorboten zum neuen Album „30“, der Ballade „Easy on Me“, landete Adele fast erwartungsgemäß auf Platz eins der Charts in 25 Ländern, setzte neue Meilensteine in Sachen Streaming-Zugriffe, ließ aber auch Fragen offen.

Würde das Album doch nur ein Scheidungsbewältigungsalbum im bewährten Sound sein? „Warum sollte ich meinen Sound verändern?“, hatte Adele im Interview des britischen Magazins „The Face“ gefragt und selbstbewusst erklärt: „Niemand sonst macht meinen Sound, also warum sollte ich ihn ändern?“

Im Vorfeld konnte man genau diesen gepflegten Stillstand auch wegen einer geradezu staatstragenden PR-Kampagne erwarten. Adele Adkins aus London stellte sich dem großen TV-Interview mit Oprah Winfrey im weißen Hosenanzug im selben Rosengarten-Umfeld, in dem bereits Harry und Meghan von ihrem Abschied aus dem Königreich berichtet hatten. Natürlich wusste die 33-Jährige, dass es hier nicht nur um die neuen Songs gehen würde, sondern vor allem um Tränenfeuchtes zur Scheidung, um die aktuelle Liebe, zum Leben als Superstar und Mutter eines neunjährigen Sohnes. „Ich war mein ganzes Leben lang davon besessen, eine gute Familie zu gründen, weil ich nie aus einer kam“, gestand sie und war beim Gedanken an die siebenjährige Adele aus Tottenham den Tränen nahe.

Sechs Jahre nach dem Album „25“ folgt nun nach all den kleinen und großen Promotiongeschichten und kleinen Innenansichten ums neue Glück mit dem Sportagenten Rich Paul die nackte, musikalische Wahrheit mit „30“. Bereits der Opener „Strangers By Nature“ macht Lust auf die Langstrecke, denn über einem E-Piano fliegt Adeles Stimme im leichten Sound, den sie sich einem James Blake entliehen hat, um dann das bereits vertraute „Easy On Me“ im balladesken Hollywood-Cinemascope nachzuschicken. Tränenreich und unter die Haut gehend die Gefühlsoffenbarungen über weiten Streicherflächen in „My Little Love“, zumal auch ihr Sohn Angelo in Soundschnipseln zu hören ist.

Starke zweite Hälfte

Adele weiß die Hörerschaft aber mit „Cry Your Heart Out“ schnell aus diesem emotionalen Tief herauszuholen, denn diese eingeklatschte Soul-Nummer ist geradezu zeitlos klassisch, und mit „Oh My God“ wird dieser Stil mit reichlich Hit-Potenzial in aktuelle R’n’B-Gefilde geführt. Wohltuend, dass auch diese gefällige Nummer keineswegs nach Ranschmeiße klingt.

Vielmehr gelingt es Adele und ihrer Produzentenschar, mit Stücken wie „Can I Get It“ erneut aufzuzeigen, wo im Pop ganz oben ist. Die Auswahl der auf den Leib geschriebenen Songs, die Raffinesse in den Arrangements und der klare Plan, Adeles Stimme in den Höhen glänzen zu lassen und in tieferen Lagen ein leicht angerautes Timbre auszuspielen, ist aufgegangen.

In der sehr starken zweiten Albumhälfte trifft die in Los Angeles lebende Sängerin über Hammondorgel-Sounds und vom Chor eingebettet mit „I Drink Wine“ den genau richtigen Gospelton, in „All Night Parking“ wird die jazzig-rauchige Stimme vom perlenden Spiel Erroll Garners umrankt. „Woman Like Me“ erreicht dieselbe Intensität gänzlich entspannt und mit akustischen Gitarren. In „Hold on“ bringt Adele mit ihrem Gefühl für aktuellen Soul erneut ihre ganze vokalistische Strahlkraft über nach vorne stolpernden Drums und einem stetigen wachsenden Chor zur Geltung. In der Klavierballade „To Be Loved“, zu der inzwischen auch bei einem berührenden Wohnzimmer-Video mitgelitten werden kann, zieht sie alle Register ihres gesanglichen Könnens und holt jede greifbare Emotion aus sich heraus.

Der britischen „Vogue“ erklärte Adele: „Ich habe das Gefühl, dieses Album ist Selbstzerstörung, Selbstreflexion und eine Art Selbsterlösung.“ Nach dem Durchhören nicht überraschend, dass „30“, dessen zwölf Songs uns in den kommenden Monaten sicherlich dauerhaft begleiten werden, mit „Love Is a Game“ im Sixties-Soul-Gewand endet.

Open Air-Konzerte ausverkauft

Die beiden Open-Air-Konzerte von Adele im kommenden Sommer im Londoner Hyde Park waren in weniger als zwei Minuten gänzlich ausverkauft. Der Andrang brachte zeitweise auch die Homepage von Adele zum Absturz. Neuigkeiten zu Videos und Konzerten gibt es unter www.adele.com.

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Erstellt:
20.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 10sec
zuletzt aktualisiert: 20.11.2021, 06:00 Uhr

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