Leitartikel
Der bezahlte Pieks
Glaubt man den jüngsten Umfragen zur Bereitschaft der Deutschen, sich gegen Corona impfen zu lassen, darf niemand mit einem Ende der Pandemie rechnen. Nur die Hälfte der Bundesbürger ist bereit, sich gegen die potenziell tödliche Krankheit immunisieren zu lassen.
Berlin. Der Rest steht einer Impfung gleichgültig, skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber. Um aber eine ausreichende Herdenimmunität gegen das Virus zu erreichen, müsste die Impfquote bis zu 70 Prozent erreichen.
Noch bevor der erste Impfstoff zugelassen wurde, scheint die große Hoffnung vergebens, möglichst bald wirtschaftliche, kulturelle und soziale Normalität wiederzugewinnen. Die Pandemie mit all ihren Einschränkungen könnte sich in einen Dauerzustand verwandeln – mit tödlichen Folgen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die unmittelbar Betroffenen, mit enormen wirtschaftlichem und kulturellem Schaden für alle anderen und der damit einhergehenden und schon absehbaren finanziellen Überforderung des Staates und der Sozialsysteme. Ein düsterer Ausblick.
Die große Frage – immer vorausgesetzt, es stünden genügend Impfdosen für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung – lautet daher, wie sich dieses Szenario vermeiden ließe. Eine naheliegende Alternative zur freiwilligen Immunisierung wäre eine generelle Impfpflicht. Sie hätte eine durchschlagende und breite Wirkung. Wer sich nicht impfen ließe, würde bestraft, etwa mit Geldbußen oder indem Ungeimpfte vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen blieben. Ein solches Konzept passte auf autoritär organisierte Staaten wie China oder Nordkorea, wäre aber in einer freiheitlichen Demokratie wie der Bundesrepublik undenkbar. Der Schaden wäre mithin höher als der Nutzen. Deutlich besser wäre es, eine Impfung zu belohnen, nicht indem Geimpften besondere Privilegien eingeräumt würden – obwohl es dieses Konzept seit langem gibt, man denke nur an die Gelbfieber-Impfung, die eine Voraussetzung zur Einreise in viele Staaten darstellt. Der Staat könnte aber sehr wohl und zumindest in den ersten Jahren eine Prämie für den Corona-Pieks zahlen, so wie er ja schon jetzt den Spendern von Blutplasma eine Entschädigung einräumt. Dieser finanzielle Anreiz würde zumindest diejenigen motivieren, die eine Impfung nicht generell ablehnen, aber denen der Aufwand zu hoch ist, weil sie zum Beispiel das Risiko für sich als gering einschätzen.
Zudem sollte man es den Impfkandidaten frei stellen, die Impfprämie anzunehmen. Sie könnten sich auch weiterhin wie bisher impfen lassen. Der so eingesparte Betrag wird einer Corona-Impfreserve zur Verfügung gestellt. Wer die Impfung mit einer Spende für den Fonds verbinden möchte, sollte das ebenfalls tun können – und den Betrag steuerlich voll absetzen können. Das würde die Ausgaben senken, aber nicht deutlich. Die Kosten für ein solches Programm gingen in die Milliarden. Doch wenn damit Herdenimmunität zu erreichen ist, hat es sich gelohnt, vor allem im Vergleich zu den dauerhaften wirtschaftlichen Schäden.