Deutsche Bahn
Der Lokführer-Streik fällt aus – vorerst jedenfalls
Die Lokführer-Gewerkschaft GDL hat die Arbeitsniederlegungen zunächst aufgeschoben. Frühestens am 9. August könnte es losgehen.
Aufatmen bei den Bahnkunden: Streiks wird es in den kommenden sechs Wochen noch nicht geben. Das hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Donnerstag verkündet. Stattdessen will die Gewerkschaft die Mitglieder befragen, ob es einen Arbeitskampf geben soll. Frühestens könnte es dann ab dem 9. August zu Streiks kommen. Die Situation ist verworren. Bahn und Gewerkschaft werfen sich gegenseitig eine Blockadehaltung vor. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Worum geht es in dem Tarifkonflikt überhaupt? Die GDL fordert 3,2 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 28 Monaten plus 600 Euro Corona-Prämie. Die Bahn bietet zwar 3,2 Prozent mehr, allerdings über eine längere Laufzeit von 40 Monaten. Das Angebot sieht auch einen erweiterten Kündigungsschutz und eine in der Branche „führende“ Altersvorsorge vor. Angelehnt ist dieser Vorschlag an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes im Bereich Flughäfen. „Flughäfen haben nichts mit dem Eisenbahnsystem zu tun“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Donnerstag und lehnte das Angebot der Bahn ab. DB-Personalvorstand Martin Seiler kritisiert, dass die GDL „nicht seriös“ und „völlig unverantwortlich“ vorgehe.
Warum kommen die Parteien nicht zusammen? Es geht der GDL nicht nur um Geld, sondern auch um ihren Machtausbau und das Konkurrenzverhältnis zur Gewerkschaft EVG. Diese hat 180?000 Mitglieder und ist damit größer als die 37?000 Mitglieder starke GDL. Die EVG hatte sich mit der Bahn auf einen moderaten Tarifvertrag geeinigt und war dafür von Weselsky als „Einkommensverringerungsgewerkschaft“ verspottet worden. Der GDL-Chef möchte mit seinem Kampf EVG-Mitglieder abwerben. Dass er so vorgeht, hat folgenden Hintergrund: Seit Anfang 2021 muss die Bahn das Tarifeinheitsgesetz anwenden: Sind mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb aktiv, setzt sich der Tarifvertrag der größeren Gewerkschaft durch. Das ist in den überwiegenden Fällen die EVG. Damit entfällt aber die Geschäftsgrundlage für die GDL. Sie ist entmachtet.
Warum gibt es jetzt eine Urabstimmung? GDL-Chef Weselsky will sich der Unterstützung der Mitglieder versichern und der Bahn zeigen, wie groß die Streikbereitschaft in der Gewerkschaft ist. Er rechnet mit einer Zustimmung „oberhalb von 90 Prozent“. Zugleich will er sich rechtlich absichern. Denn es gilt als wahrscheinlich, dass die Bahn juristisch gegen Warnstreiks vorgehen würde. Er wolle den Mitgliedern eine kurzfristige Absage von Arbeitskampfmaßnahmen ersparen, sagte Weselsky.
Wie realistisch sind Streiks im August? Wenn es nach Gewerkschaftschef Weselsky geht, sehr realistisch. Die Streiks würden nicht „ein paar Stunden“ dauern, kündigte der Gewerkschaftschef an. Sie könnten mehrere Tage umfassen. Wie lange sie genau dauern werden, wollte der Sachse nicht sagen. Nur so viel: „Wir starten aber nicht mit unbefristeten Streiks. Das wäre unverhältnismäßig.“
Wie könnten die angekündigten Streiks noch verhindert werden? Das wird schwierig. Beide Seiten wollen nicht von ihren Positionen abrücken. GDL-Chef Weselsky will ein deutlich verbessertes Angebot sehen. Andernfalls will er nicht an den Verhandlungstisch zurückkommen. Eine Schlichtung mit einem unabhängigen Mediator, wie es ihn bereits im Herbst vergangenen Jahres gegeben hatte, lehnt der Gewerkschaftsführer ab. „Sollte die GDL nicht verhandeln können, erklären wir nochmal unsere Bereitschaft zur Schlichtung“, sagte DB-Personalvorstand Seiler.
Warum sitzt die Bahn die Drohungen nicht einfach aus? Der Konzern steht unter Druck. Ein Arbeitskampf könnte der von Corona geplagten Bahn das Sommergeschäft kaputt machen. Die Verluste summieren sich auf zehn Milliarden Euro. Über Monate hinweg blieben die Reisenden weg. Fernzüge waren teils nur zu 25 Prozent besetzt, das Angebot blieb weitestgehend aufrecht. Nun waren die Reisenden langsam wieder in die Züge zurückgekehrt. Viele Menschen wollten mit der Bahn in den Sommerurlaub verreisen. Ein Streik im August würde viele bevölkerungsreiche Bundesländer stark beeinträchtigen, unter ihnen sind Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen.
So schlagkräftigist die GDL
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat laut Chef Claus Weselsky 37 000 Mitglieder. Einen Zulauf hat die Gewerkschaft seit Anfang des Jahres bekommen und 3000 Mitglieder dazugewonnen. Darunter sind rund 80 Prozent aktive Eisenbahner, das heißt um die 29 600 Gewerkschafter arbeiten noch bei der Bahn und sind etwa nicht in Rente. Wie groß die Schlagkraft der GDL sein kann, haben vergangene Arbeitsniederlegungen gezeigt. Vor zuletzt sechs Jahren legten die Lokführer und Zugbegleiter das Land lahm. Von Herbst 2014 bis zum Frühjahr 2015 hatte die GDL neun mehrtägige, flächendeckende Streiks organisiert. - dot