Wohlfühlpark mit Problemzone

Der Alte Botanische Garten wird aufgefrischt

Die Tübinger lieben ihren Alten Botanischen Garten. Studenten breiten auf dem gepflegten Rasen die Picknick-Decke aus, Senioren machen Tai-Chi unter 250 Jahre alten Buchen. Dank einer Erbschaft hat das Land nun Geld, das grüne Herz der Stadt aufzufrischen und Problemzonen zu behandeln: Man will es Dealern und der Drogenszene ungemütlicher machen.

03.06.2016

Von Angelika Bachmann

Eigentlich ein Wunder: So stark beansprucht wie der Alte Botanische Garten ist in Tübingen keine andere Grünfläche. Trotzdem ist er gut gepflegt. Archivbild: Metz

Eigentlich ein Wunder: So stark beansprucht wie der Alte Botanische Garten ist in Tübingen keine andere Grünfläche. Trotzdem ist er gut gepflegt. Archivbild: Metz

Tübingen. Zum Rundgang hat Rainer Boeß einen Grünplan mitgebracht. Anschauungsmaterial für die Presse. Er selbst braucht es natürlich nicht. Der Gartenbauingenieur vom Landesamt für Vermögen und Bau kennt den Bota, als wär’s sein eigener Garten. Schließlich ist er selbst Tübinger: Der Bota ist für ihn nicht nur eine Liegenschaft, für die er zuständig ist, sondern eine Leidenschaft und ein Stück Lebensqualität, die er für die Tübinger erhalten will. Da kommt es gelegen, dass aus dem Nachlass der Buchhändlerinnen Julie Gastl und Gudrun Schaal etwa 250000 Euro für die Sanierung des Botanischen Gartens zur Verfügung stehen.

Große Umwälzungen sind damit nicht geplant. Im Gegenteil: Das Geld soll dafür verwendet werden, dass die Grünanlage ihren jetzigen Charakter behalten kann. Dafür sei es in erster Linie notwendig, sich um die Problemzonen zu kümmern, sagt Boeß. Im Randbereich, entlang der seltener genutzten Wege, gibt es vor allem in den Nachtstunden Schwierigkeiten. Dealer nutzten die stilleren Ecken, um unter den Büschen Drogendepots anzulegen. Auch nächtliche Alkoholgelage führen immer wieder zu Beschwerden. Passanten, die den Park auf dem Heimweg kreuzen, fühlen sich dann nicht mehr sicher.

Die Baubehörde des Landes will die Beleuchtung insbesondere in den Randlagen verbessern, in der Hoffnung, dass mehr Licht die unliebsame Szene vertreibt. Allerdings stammt die gesamte Verkabelung des Parks aus den 70er Jahren. Deren Zustand muss erst geprüft werden Unklar ist, ob man weitere Lampen anhängen kann oder den ganzen Garten neu verkabeln muss.

Chillen ist o.k. – aber: bloß kein Café!

Die Aufenthaltsqualität des Gartens ist ohne Zweifel hoch: Im Frühjahr und Sommer bietet die große Freifläche mit kurz gemähtem Rasen viel Platz für Sonnenhungrige, gleichzeitig gibt es viele Schattenplätze. Etwas bedürftig sieht das Areal in Richtung Ammer, oberhalb der Sitzbänke aus. Dort stehen zwei Platanenreihen, die irgendwie fehlplatziert aussehen. Sie wurden tatsächlich in den 70er Jahren provisorisch gepflanzt, klärt Boeß auf. Sie waren eigentlich für die Neugestaltung der Wilhelmstraße vorgesehen und sollten im Botanischen Garten nur zwischengeparkt werden. Sie sind geblieben.

Es gibt Überlegungen, in diesem schattigen Quartier eine Sitzgruppe einzurichten. „Das Problem ist, es wird immer alles kaputt gemacht“, sagt Boeß, der sich hier ein aufgelockertes Arrangement an Sitzgelegenheiten trotzdem vorstellen könnte. Allerdings soll der ruhige Parkcharakter im Gesamten bewahrt und keine Begehrlichkeiten geweckt werden: Leute die chillen, picknicken – o.k.. Aber: „Bloß kein Café!“ sagt Boeß. „Wir wollen das als Garten erhalten und nicht noch den Druck erhöhen.“

Ohnehin ist es beachtenswert, wie gut der Park in Schuss ist, obwohl der Rasen in der Freiluftsaison arg strapaziert wird. Für die Pflege zuständig sind die kommunalen Servicebetriebe der Stadt – im Auftrag und auf Kosten des Landes. An die 15 Mal im Jahr wird gemäht, Brandflecken von unerlaubten Grill-Picknicks werden möglichst wiederbegrünt.

Der wahre Schatz der Anlage sind die Bäume. Zum Teil sind sie über 250 Jahre alt, wie etwa die Buche in der Nähe des Spielplatzes. Eher unauffällig, aber ebenso alt: eine Säuleneiche, keine 50 Meter entfernt. Um den Baumsenioren das Leben im stark genutzten Park leichter zu machen, lässt das Land den Boden im Wurzelbereich einmal im Jahr tiefendüngen und tiefenlockern. Sonst wären die Wurzeln längst totgetrampelt. Mit dem Geld aus der Gastl-Erbschaft könnte auch das Wegenetz an manchen Stellen leicht korrigiert werden. Es wäre ratsam, die Wege in etwas größerem Bogen um den Wurzelbereich besonders alter Bäume herumzuschwenken, sagt Boeß. Spaziergänger und Radfahrer werden es zudem zu schätzen wissen, dass im Zuge der Sanierung Schlaglöcher und Stolperfallen beseitigt werden.

Wer mit geschärften Sinnen durch den Park geht, wird feststellen: nicht nur Menschen fühlen sich hier wohl. In den Bäumen nisten Höhlenbrüter, Amseln und an die sieben Fledermausarten. An den Randbereichen wachsen, ganz unauffällig, hohe Wiesen, in denen sich Wildbienen und zahlreiche kleine Wirbeltierarten wohlfühlen. Hier unterstützt das Land die Initiative „Bunte Wiese“, die an der Universität zahlreiche solcher urwüchsigen Quartiere der Biodiversität ermöglicht hat.

Ein weiteres Thema ist die Ammer, die sich in einem tiefen Graben, fast schon kanalartig durch den Garten zieht. Für dieses Gewässer ist allerdings die Stadtverwaltung zuständig, die eine Renaturierung der Ammer ohnehin derzeit als Schwerpunktthema betreibt, wie Susanne Keim vom Tiefbauamt Auskunft gibt. Man werde sich demnächst mit der Landesbaubehörde in Verbindung setzen. Die Idee zur Renaturierung der Ammer im Botanischen Garten gibt es schon seit mehr als zehn Jahre. Die Pläne aus der damaligen Zeit müssten jedoch überarbeitet werden, weil heutzutage die Begeh- und Erlebbarkeit des Gewässers eine viel größere Rolle spiele, so Keim.

Infomaterial oder -tafeln, die den zahlreichen Nutzern des Parks dessen Besonderheiten nahebringen, könnten auch nichts schaden. Denn nicht jede sportliche Aktivität ist so naturverträglich wie die Seniorengymnastik, die in der Freiluftsaison dienstags und donnerstags stattfindet. Die Slackliner zum Beispiel sind nicht so gerne gesehen, vor allem nicht, wenn sie ihre Leinen an besonders alten Bäumen und dann auch noch in Meterhöhe befestigen. Das bringe enormen Zug auf den Stamm und zerstöre die Feinwurzeln, sagt Boeß.

Nördlich der Ammer: Zentrale Verwaltung will bauen

Der Alte Botanische Garten ist in seiner Gesamtheit als Kulturdenkmal geschützt, allerdings nicht als Naturdenkmal. Der Geltungsbereich bezieht auch das Areal nördlich der Ammer neben der Zentralen Verwaltung mit ein, das derzeit als Parkplatz genutzt wird. In der mittelfristigen Uni-Planung ist diese Fläche für einen Erweiterungsbau der Zentralen Verwaltung vorgesehen, bestätigte Antje Karbe vom Uni-Presseamt. Die Zentrale Verwaltung sei derzeit auf neun Standorte verteilt; die Hochschulleistung würde es begrüßen, wenn diese an einem Standort zusammengefasst werden könnten.

Über diese Pläne und über die weitere Entwicklung der Uni im Tal (Tal-Campus) diskutiert der Planungsausschuss in seiner Sitzung am Montag (Beginn: 17 Uhr).

Zum Artikel

Erstellt:
03.06.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 58sec
zuletzt aktualisiert: 03.06.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!