Hass im Netz
Experte fordert ein Schulfach zum Umgang mit sozialen Medien
Shitstorms im Netz sind der Kampf Gut gegen Böse, meint Christian Scherg, Experte für Krisenkommunikation.
Was zeichnet einen Shitstorm aus?
Christian Scherg: Entscheidend ist, dass es in der Regel nicht um komplexe Sachverhalte und überprüfbare Beweise geht, sondern um moralische Verfehlungen und den Kampf Gut gegen Böse. Um einfache, emotional schnell erfassbare Fronten. Komplizierte Themen eignen sich nicht als Shitstorm. Die eine Seite ist gut, die andere ist böse. Zudem spielt der Kampf „David gegen Goliath“ und die Machtverschiebung durch die Stimmen Vieler in den sozialen Netzwerken eine wichtige Rolle – deshalb sind oft Unternehmen und Prominente Ziele von Shitstorms.
Nutzer lösen mit Gerüchten Shitstorms aus. Warum tun sie das?
Viele wollen sich und ihre Botschaften sichtbar machen. Wenn Twitter Themen und Hashtags anzeigt, die gerade besonders häufig diskutiert werden – springen viele „Trittbrettdiskutierer“ auf, um etwas von der aktuellen Aufmerksamkeit, die auf dem Thema liegt, abzubekommen. Das ist oft unabhängig davon, ob die Nutzerin oder der Nutzer die Hintergründe und Fakten kennt und wie er oder sie dazu steht.
Welchen Einfluss hat das Umfeld?
Früher haben ausschließlich Journalisten Themen für die Öffentlichkeit eingeordnet, heute machen das auch Freunde und Influencer. Das kann gefährlich sein, wenn man Fakten und Meinungen nur schlecht auseinanderhalten kann und Inhalte in sozialen Medien nicht hinterfragt. Das soziale Umfeld, also die Zahl Gleichgesinnter, mit denen man vernetzt ist, entscheidet stark darüber, welche Position in einer Diskussion man vornehmlich präsentiert bekommt und wem man glaubt. So kann man schnell in einen Shitstorm hineingezogen und die eigene Stimme und Stimmung instrumentalisiert werden.
Was kann man dagegen tun?
Es sollte ein Unterrichtsfach zum Umgang mit sozialen Medien eingeführt werden. Dafür plädiere ich auch als Berater im Bundestag. Es ist für eine funktionierende Demokratie von entscheidender Bedeutung, dass Kinder lernen, wie sie Informationen prüfen und bewerten, damit sie nicht auf Falschmeldungen, Filterblasen oder Stimmungsmanipulationen hereinfallen und eine eigene, differenzierte Haltung entwickeln. Es ist wichtig, dass wir über den digitalen Tellerrand hinausschauen und nicht der Täuschung erliegen, dass alles, was man in sozialen Medien lesen kann, die Wahrheit ist.