Bayern München

Das große Werk des Hansi Flick

In nicht einmal zehn Monaten formt der 55-Jährige aus nicht mehr gefürchteten Stars das beste Fußball-Ensemble Europas. Er dankt bescheiden seinem Team.

25.08.2020

Von SID

Der Moment des großen Triumphs: Bayern Münchens Trainer Hansi Flick stemmt den Champions-League-Pott in die Höhe. Foto: Matthew Childs

Der Moment des großen Triumphs: Bayern Münchens Trainer Hansi Flick stemmt den Champions-League-Pott in die Höhe. Foto: Matthew Childs

Hansi Flick setzte kein Feier-Limit. In der rauschenden Jubel-Nacht mit dem grandios erkämpften Henkelpott animierte der Baumeister des zweiten Münchner Triples seine „Männer“ vielmehr auf der Partybühne ausdrücklich zum 100-Prozent-Einsatz. „Genießt den Abend“, schrie Flick ins Mikrofon, bevor er wie schon Stunden zuvor im Estádio da Luz nach dem 1:0 (0:0) gegen Paris Saint-Germain von seinen Spielern noch einmal fünfmal in die Luft geworfen wurde. Der bescheidende Hans(i) ging im Teamhotel für einen kurzen Moment aus sich heraus: „Wirklich Männer, ich bin so was von stolz, dass wir euch begleiten dürfen. Tausend Dank, Männer! Ich habe noch nie so eine Mannschaft trainiert.“

Es hat auch noch nie einen Coach gegeben, der in nur zehn Monaten alles gewinnt, was es zu gewinnen gibt. Der als Assistent in eine Saison startet und dann als Chefcoach gegen alle Widerstände wie Corona alles gewinnt, was es zu gewinnen gibt: Meisterschaft, Pokal, Champions League. Mission erfüllt! Was kann jetzt noch kommen?

Flick lächelte. Er könnte tatsächlich als Fußball-König von Deutschland und Europa sofort abtreten. Er tut es aber nicht, und das nicht wegen seines gerade erst verlängerten Vertrages bis 2023. „Jetzt genieße ich einfach diesen Sieg im Finale. Wir gehen mit dem Henkelpott nach Hause“, sagte Flick.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nahm die übermüdeten Sieger von Lissabon am Montagnachmittag am Münchner Flughafen persönlich in Empfang. Ein Autokorso durch die Stadt, ein Empfang mit tausenden Fans auf dem Rathausplatz mussten in Corona-Zeiten entfallen. Ab in den Urlaub, hieß es dafür. 14 Tage Durchpusten sagte Flick an: „Alles, was in der Zukunft kommt, ist erstmal hinten angestellt.“

Schon am 11. September geht die neue Titelhatz los. Aber das war egal am Ende dieser zwei Wochen in Portugal. Das Final-8-Turnier war ein gelebter Traum: 8:2 im Viertelfinale gegen Barcelona, 3:0 im Halbfinale gegen Lyon, 1:0 gegen Paris. „Danke für das, was wir in den zehn Tagen erleben durften. Ich bin ja schon lange in dem Geschäft: Das war das größte Spektakel, was ich jemals erleben durfte. Ich habe selten einen verschworeneren Haufen erlebt als diese Truppe“, rühmte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge den zweiten Münchner Triple-Jahrgang nach 2013 in seiner Rede im „Penha Longo Resort“.

Die Freude der kleinen, lautstarken Bayern-Delegation in der Arena explodierte aber auch so nach dem Kopfballtor von Kingsley Coman in der 59. Minute und erst recht nach dem erlösenden Schlusspfiff. „Es ist ein Traum für uns alle“, schwärmte Nationaltorwart Manuel Neuer, der beste Mann auf dem Platz, der als Kapitän den Pokal als Erster in Händen halten durfte. Flick posierte erst viel später mit dem Pott.

Rummenigge musste ihn auf die Bühne zitieren. Er zog ihn an sich, umarmte den 55-Jährigen herzlich und sagte danke. „Du bist immer so ein bescheidener Mensch. Du hast einen Wahnsinnsjob gemacht, du kannst darauf stolz sein.“

Natürlich: Die Bayern haben einen Kader mit Ausnahmekönnern. Neuer, der im Finale Neymar und die PSG-Stars entzauberte, wenn sie vor ihm auftauchten. Robert Lewandowski, der Bayern-Spieler der Saison, der im Endspiel torlos blieb, aber ein Doppel-Triple feiern konnte. Drei Titel mit dem Team und dreimal Schützenkönig in Bundesliga (34 Tore), DFB-Pokal (6) und Champions League (15), den Wettbwerb, den der 32 Jahre alte Pole endlich gewinnen konnte.

In der Wohlfühl-Atmosphäre

„Er ist für uns ein wahnsinnig wichtiger Spieler – wie so viele andere auch“, sagte Flick, der keinen Personenkult mag. Man denke nur an Müller, Alaba, an den wohl wechselnden Thiago, die 95er-Generation um Kimmich, Goretzka, Gnabry oder Süle und – nicht zu vergessen – den gerade mal 19 Jahre alten Senkrechtstarter Alphonso Davies.

„Ich muss alle loben. Am Ende hat sich jeder einzelne Spieler dermaßen entwickelt. Nur deswegen ist es so zustandegekommen, dass wir dieses Jahr drei Titel einfahren konnten.“, referierte Flick. Das ist das Erfolgssystem Flick, wie Juniorchef Joshua Kimmich sagte, der den Pokal am Montag bei der Abfahrt zum Flughafen stolz zum Bus trug.

„Die menschliche Seite ist top. Für ihn sind wir nicht nur Spieler, die er für sein System benutzt, sondern er sieht auch wirklich den Menschen dahinter. Das merken wir Spieler und auch die Mitarbeiter“, sagte Kimmich. Es war bezeichnend, dass Flick nach den 90 aufregenden Finalminuten erstmal den heulenden Neymar tröstete – statt an sich selbst zu denken.

Flick hat nach der Ablösung von Niko Kovac eine Wohlfühlatmosphäre geschaffen, in der Leistung und ein beispielloser Erfolgslauf entstehen konnten. Kimmich hatte auch im engen Kampf mit Paris „ein wenig das Gefühl der Unschlagbarkeit“. 2020 haben die Bayern kein Spiel verloren, Flicks Pressingfußball ist erdrückend. „Der Haufen ist Wahnsinn, von A bis Z“, schwärmte Thomas Müller, neben Neuer, Boateng, Alaba und Martínez zum zweiten Mal Triple-Champion.

Jetzt, da die Flick-Bayern mit dem noch dazu stoßenden 50-Millionen-Transfer Leroy Sané vor einer goldenen Ära zu stehen scheinen, erinnerte Flick aber auch an die Anfangszeit mit ihm als Chef und damit sogar mal Platz sieben in der Bundesliga. „Im vergangenen November war zu lesen, dass man keine Angst mehr hat vor der Mannschaft, keinen Respekt. Und wie schlecht die Mannschaft eigentlich ist“, sagte Flick. Die Entwicklung danach sei „einfach sensationell“ gewesen. sid

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Erstellt:
25.08.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 43sec
zuletzt aktualisiert: 25.08.2020, 06:00 Uhr

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