Umwelt

Bilanz des Klimagipfels: das gebrochene Versprechen

2009 haben die Industriestaaten beim Klimagipfel in Kopenhagen 100 Milliarden Dollar pro Jahr für Klimaschutz zugesagt. Die Bilanz ist ernüchternd.

02.11.2021

Von André Bochow

Aktivisten demonstrieren mit Masken, die Joe Biden und Boris Johnson darstellen sollen, am Rande des UN-Klimagipfels in Glasgow. Foto: Scott Heppell/AP/dpa

Aktivisten demonstrieren mit Masken, die Joe Biden und Boris Johnson darstellen sollen, am Rande des UN-Klimagipfels in Glasgow. Foto: Scott Heppell/AP/dpa

Berlin. Ganze 0,07 Tonnen CO2 wurden 2018 in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) pro Kopf ausgestoßen. In Deutschland waren es laut Weltbank 8,56 Tonnen. Bei den Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschen ist dieses Verhältnis praktisch umgekehrt. Davon weiß Mama Elize nichts. Aber darüber, dass auf Regen- und Trockenzeiten kein Verlass ist, kann die Bäuerin aus der ZAR sehr ausführlich erzählen. „Die Jahreszeiten sind durcheinandergeraten“ sagt sie. Wenn der Boden nur mit der Hacke bearbeitet werden kann, sind das Saatgut oder die heranwachsenden Pflanzen extrem empfindlich. „Das ist ein Riesenproblem. Die Leute haben normalerweise nur einen Versuch. Geht die Saat nicht auf oder wird sie vernichtet, dann hungern sie.“

„Der Klimawandel ist einer der stärksten Hungertreiber“, sagt Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe. „Im Südsudan, wo etwa sieben der elf Millionen Einwohnerinnen und Einwohner nicht ausreichend zu essen haben, zerstörten im dritten Jahr in Folge schwere Überschwemmungen die Felder, Häuser und Brunnen.“ Betroffen sind 700 000 Menschen.“ In Madagaskar ist der Süden des Landes seit drei Jahren ohne Regen. Es ist die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. „Über eine Millionen Menschen sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, zehntausende Kinder sind in einem lebensbedrohlichen Zustand.“

Dass die von den reichen Ländern zugesagte Hilfssumme von 100 Milliarden Dollar bislang maximal zu 80 Prozent zusammengekommen ist, wird von niemandem bestritten. Die Heinrich-­Böll-Stiftung weist darauf hin, dass weltweit pro Jahr fast sechs Billionen Dollar Subventionsgelder für das Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas ausgegeben werden. Von vielen Ländern wurden auch keine neuen Mittel zur Verfügung gestellt, sondern der Verwendungszweck geändert. Deutschland hat sich an seine Zusagen gehalten, die USA bei Weitem nicht und Großbritannien hat zwar seine Klimagelder aufgestockt, aber die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit gekürzt. Hinzu kommt, dass erhebliche Teile Kredite sind. Die Böll-Stiftung verweist auch darauf, dass zwei Drittel der Gelder für Emissionsreduzierungen zur Verfügung gestellt werden, wovon Indien, Brasilien, Südafrika oder Indonesien profitieren, arme pazifische Inselstaaten oder Länder der Sahelzone aber nicht.

Auf dem G20-Gipfel wurden die versprochenen 100 Milliarden Dollar durch die reichen Länder für 2023 ins Auge gefasst. „Etwas verspätet“, konstatierte Noch­-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das haben auch die armen Länder bemerkt. „Da ihr die 100 Milliarden nicht erreicht habt, müsst ihr uns einen Plan für 500 Milliarden Dollar über fünf Jahre vorlegen“ fasste Saleemul Huq, Direktor des Internationalen Zentrums für Klimawandel und Entwicklung in Dhaka, zusammen.

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Erstellt:
02.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 15sec
zuletzt aktualisiert: 02.11.2021, 06:00 Uhr

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