Literatur

Das Publikum mit der Axt erwecken

„Lieber Thomas“ von Andreas Kleinert: Albrecht Schuch ist grandios als Rebellen-Autor Thomas Brasch

11.11.2021

Von dpa

Berlin. „Hier wird Brot nicht mit dem Messer geschnitten, sondern mit dem Beil abgehauen.“ Bereits im Vorwort seiner einzigen in der DDR veröffentlichten Gedichtsammlung „Poesiealbum 89“ zeigt sich die maßlose Wucht des Dichters Thomas Brasch.

Fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dessen Tod kommt nun mit „Lieber Thomas“ ein fulminantes Schwarz-Weiß-Biopic in die Kinos – angelehnt an das Leben des Schriftstellers, Drehbuchautoren, Übersetzers und Regisseurs. Albrecht Schuch, der jüngst Rollen in „Fabian“ oder „Schachnovelle“ hatte, zeigt den rebellischen Dichter mit heftiger Verve. Als erdenden Gegenpol spielt Jella Haase („Fack ju Göhte“) mit wunderbarer Ursprünglichkeit seine Partnerin Katarina (im wahren Leben die Schauspielerin Katharina Thalbach).

Der 1945 in England als ältester Sohn jüdischer Eltern geborene Brasch ist einer, der stets aneckt. Während sein Vater (Jörg Schüttauf) in der DDR Karriere macht, gerät der Sohn ins Visier der Stasi. Die Mutter (Anja Schneider) verkümmert derweil in der Berliner Plattenbauwohnung an der Kleinheit des sozialistischen Staates. „Die Welt ändert sich, aber nicht, wenn man sich damit zufrieden gibt“, sagt Brasch. Das Verhältnis zum Vater ist zeitlebens zerrüttet.

Mit der Filterlosen im Mundwinkel spielt Schuch seinen Brasch als Besessenen. Als einen Unbeugsamen, der das Überschäumende sucht – in der Literatur, in der Liebe, im Leben. „Man darf das Publikum nicht langweilen, man muss es mit der Axt erwecken“, sagt er. Weil sein Buch „Vor den Vätern sterben die Söhne“ in der DDR nicht erscheinen kann, reisen Thomas, Katarina und deren Tochter 1976 nach West-Berlin aus.

Unterbrochen wird die Handlung von Traumsequenzen, in die sich teils Motive aus Braschs Werken wie dem Film „Engel aus Eisen“ oder der Geschichte vom „Mädchenmörder Brunke“ flechten. „Lieber Thomas“ nimmt sich viele Freiheiten heraus und bleibt nicht starr an der gesicherten Biografie hängen. Mit unterlegten Jazz-Variationen fängt Regisseur Andreas Kleinert die Stimmung ein. Immer wieder werden Braschs Gedichte zitiert. Sie zeigen, welch bedeutender Schriftsteller er ist. Mit „Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin“ endet eines davon. Bis zum Ende bleibt er ein Getriebener. dpa

„Lieber Thomas“, Deutschland 2021, 150 Min., FSK ab 16

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Erstellt:
11.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 06sec
zuletzt aktualisiert: 11.11.2021, 06:00 Uhr

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