„Das Geschäft wird immer brutaler“

Interview mit VfB-Spielmacher Daniel Didavi

Spielmacher Daniel Didavi vom VfB Stuttgart spricht über seine Karriere, das Leben in der Öffentlichkeit – und die Perspektiven nach dem Aufstieg.

29.08.2020

Von STN

Daniel Didavi ist einer der erfahrensten Spieler im Kader des Bundesliga-Aufsteigers VfB Stuttgart.  Foto: Eibner

Daniel Didavi ist einer der erfahrensten Spieler im Kader des Bundesliga-Aufsteigers VfB Stuttgart. Foto: Eibner

Lange ist es um Daniel Didavi ruhig gewesen, jetzt hat sich der Mittelfeldspieler des VfB Stuttgart wieder zu Wort gemeldet. Seine Aussagen lassen an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig.

Herr Didavi, Sie absolvieren Ihre 13. Saisonvorbereitung als Fußballprofi. Macht es noch immer Spaß, sich wochenlang zu quälen?

Hätte ich keinen Spaß mehr, würde ich aufhören. Natürlich gibt es Tage, an denen man sich fragt: Muss das sein? Früher fand ich die Vorbereitung aber schlimmer.

Wie geht es Ihren Gelenken und Muskeln?

Mein Knie macht schon länger keine Probleme mehr, auf die Muskulatur muss ich aufpassen. Wahrscheinlich wird es so sein, dass die Muskeln in den nächsten Wochen immer mal wieder zwicken. Ich werde nicht jünger.

In der vergangenen Saison haben Sie einige Rätsel aufgegeben, als Sie nach Ihrer Gelb-Roten Karte in Kiel am 27. Spieltag gar nicht mehr zum Einsatz kamen. Was war los?

Als die Sperre vorbei war, bin ich im Abschlusstraining mit Marc Oliver Kempf zusammengeprallt, da hat mein Knie reagiert. Als es wieder in Ordnung war, hat die Wadenmuskulatur zugemacht. Im letzten Spiel hätte ich spielen können, aber da wollte der Trainer andere belohnen. Das habe ich natürlich verstanden.

Was nehmen Sie mit aus Ihrer ersten Saison in der zweiten Liga?

Einerseits war es gut für mich, dass wir viel mehr Ballbesitz als der Gegner hatten. Andererseits wird in der zweiten Liga ein anderer Fußball gespielt. Es ist eine Kampfliga. Die Mannschaften stehen hinten drin, man hat kaum Raum und bekommt viel auf die Socken. Ich glaube, ein Spielertyp wie ich tut sich in der Bundesliga leichter.

Die Mannschaft ist nach dem Aufstieg noch jünger geworden. Reicht die Qualität, um in der Bundesliga mitzuhalten?

Ich finde es den richtigen Weg, dass es keinen Umbruch gibt und fünf, sechs gestandene Profis geholt werden. Wir haben viele junge Spieler mit überragenden Fähigkeiten: Mateo Klimowicz zum Beispiel, Silas Wamangituka, Roberto Massimo oder Lilian Egloff. Ich sehe sie jeden Tag im Training und bin überzeugt davon, dass sie das Potenzial haben, um eines Tages auch bei absoluten Topklubs zu spielen. Aber sie sind eben noch keine etablierten Bundesligaspieler. Wenn es ihnen gelingt, schnell den nächsten Schritt zu machen, könnte es eine gute Saison werden.

Inwieweit können Sie den jungen Spielern in ihrer Entwicklung helfen?

Wenn einer meinen Rat will, bekommt er ihn. Ich dränge ihn aber niemandem auf. Die Zeiten haben sich total geändert. Als ich jung war, haben einen die älteren Spieler manchmal von oben herab behandelt. Ich erinnere mich, wie sich Khalid Boulahrouz und Alexander Hleb im Training einmal geweigert haben, mit mir zu spielen. Ich musste mir erst mit Leistung ihren Respekt verdienen.

Derzeit sind es die Finanzen, die viele sportlichen Themen überlagern. Wie nehmen Sie die Diskussion darüber wahr, dass Fußballer zu viel verdienen?

Natürlich verdienen wir sehr viel, wenn man sieht, was auf der Welt los ist. Aber bislang war es auch so, dass der Fußball sehr viel Geld erwirtschaftet hat. Und den größten Teil vom Kuchen bekamen die Spieler. Das kann man gut finden oder schlecht. Es ist schön für mich, dass ich nach meiner Spielerkarriere finanziell ausgesorgt haben werde, wenn ich keinen Blödsinn anstelle. Aber ob Sie es glauben oder nicht: Ich habe nie wegen des Geldes gespielt, sondern weil es mir Spaß macht.

Dann könnten Sie ja auf Gehalt verzichten.

Ich verstehe, dass in einer solchen Situation diejenigen, die am meisten Geld haben, etwas abgeben sollten. Wenn es der Verein für nötig erachtet, dass wir Spieler auf Gehalt verzichten sollen, dann mache ich das. Das wäre für mich kein Problem.

Verstehen Sie auch, dass neben Benedikt Höwedes auch André Schürrle, der ein knappes Jahr jünger ist als Sie, aufgehört hat, weil er keine Lust mehr auf den Profizirkus hat?

Zu hundert Prozent. Es hat ja seine Gründe, dass André Schürrle keine Lust mehr hat. Das Geschäft wird immer brutaler. Viele Menschen können sich gar nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn man heutzutage in der Öffentlichkeit steht. Wenn man zum Beispiel all das, was man in den sozialen Netzwerken über sich zu lesen bekommt, an sich ranlässt, kann man kaputtgehen.

Sie standen zuletzt selbst im Kreuzfeuer, nachdem Sie auf Instagram Kritik an den Corona-Maßnahmen geübt hatten.

Was ich gesagt habe, darüber kann man sicherlich streiten. Was aber insbesondere daraus gemacht wurde, ist absurd, teilweise sogar krank. Und deshalb ist es oft besser, seine Meinung öffentlich lieber gar nicht zu äußern.

Eine bittere Erkenntnis.

Aber genauso ist es. Es heißt immer, man wolle Typen, die ihre Meinung sagen – aber das geht heute nicht mehr. Wenn du keine Probleme haben willst, hältst du besser den Mund. Im Grunde ist es sogar völlig egal, was du sagst – Prügel von irgendeiner Seite gibt es in jedem Fall. Zum Glück kann ich damit umgehen. Es interessiert mich nicht, was mir unbekannte Leute über mich sagen.

War das schon immer so?

Ich weiß noch, wie sehr es mich mitgenommen hat, als ich 2016 vom VfB nach Wolfsburg gegangen bin und auf übelste Weise beleidigt wurde. Bis dahin war ich der große Liebling der Fans – und wurde mit einem Schlag zur Hassfigur. Das war schlimm.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Ich habe gelernt, mich von persönlichen Attacken fremder Menschen nicht mehr runterziehen zu lassen, Beruf und Privatleben zu trennen. Ich bin noch immer ehrgeizig und hasse es zu verlieren. Aber ob es im Fußball gut läuft oder schlecht – das beeinflusst mein Privatleben nicht mehr. Ich bin manchmal froh, dass sich meine Karriere dem Ende nähert. Es gibt einfach viele Dinge im Profifußball, die keinen Spaß mehr machen. Gleichzeitig liebe ich den Fußball noch immer.

Ihr Vertrag läuft 2021 aus. Wie geht es danach weiter?

Nein, darüber mache ich mir keine Gedanken. Es kann sein, dass ich noch länger hierbleibe oder im Ausland weiterspiele. Es kann aber auch sein, dass ich meine Karriere beende. Momentan macht es mir noch Spaß. Es ist ohnehin ein Wunder, dass ich noch immer Fußball spielen kann. Als ich mit 22 einen Knorpelschaden hatte, haben mir die Ärzte gesagt, dass meine Karriere vorbei ist und ich mit 30 ein künstliches Kniegelenk haben werde.

Was wäre dann aus Ihnen geworden?

Vermutlich auch ein glücklicher Mensch, da ich versuche, aus jeder Situation das Beste zu machen. Allerdings hätte ich dann sehr bereut, dass ich mit 18 die Schule geschmissen und kein Abitur gemacht habe. Das war dumm.

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Erstellt:
29.08.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 24sec
zuletzt aktualisiert: 29.08.2020, 06:00 Uhr

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