Online-Handel

Das Geschäft mit Corona

Für Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel werden inzwischen teils horrende Preise verlangt. Wucher oder Marktwirtschaft?

06.03.2020

Von Igor Steinle

Schutzmasken für Mund und Nase sind derzeit gefragte Artikel. Foto: Fabian Strauch

Schutzmasken für Mund und Nase sind derzeit gefragte Artikel. Foto: Fabian Strauch

Die Ausbreitung des Corona-Virus treibt zum Teil fragwürdige Blüten. So wurden bundesweit Diebstähle von Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern gemeldet. Die Polizei warnt vor gefälschten Online-Shops, in denen Betrüger solche Mittel anbieten. Denn die hohe Nachfrage nach Produkten wie Atemschutz- und OP-Masken oder Desinfektionsmittel hat zu teils extremen Preissteigerungen im Internet geführt. Auf Amazon etwa boten Händler eine Box mit 50 Gesichtsmasken für 95,90 Euro an. Versandapotheken hatten das gleiche Produkt vor kurzem für 3,95 Euro im Angebot. Inzwischen ist es ausverkauft. Auf eBay finden sich Desinfektionsmittel für 65,99 Euro, die sonst für rund 13 Euro zu haben sind.

Der Eindruck drängt sich auf, dass Geschäftemacher Profit aus einer gesellschaftlichen Notlage schlagen wollen. So sieht es auch der Gesundheitsminister: Wer überteuert Schutzmasken verkaufe, handele unverantwortlich, sagt Jens Spahn (CDU). Aber handelt es sich dabei tatsächlich um schändliches Verhalten oder gar Wucher? Oder ist es schlichtweg Marktwirtschaft, in der das Angebot den Preis bestimmt?

Die Onlineplattformen reagieren auf die überteuerten Angebote. Amazon hat eigenen Angaben nach zehntausende Angebote entfernt. „Amazon überwacht regelmäßig die Preise der Artikel auf unseren Marktplätzen, einschließlich der Versandkosten, und vergleicht sie mit anderen Preisen“, heißt es auf seiner Website. Wenn man Preispraktiken feststelle, „die das Vertrauen der Kunden schädigen“, behält Amazon sich vor, das Angebot zu entfernen.

Trickreiche Betrüger

Normalerweise hat der Online-Marktplatz diese „Fair-Pricing-Regel“ während der Feiertage im Blick. Vor Weihnachten gilt es zu verhindern, dass beliebte Spielwaren überteuert angeboten werden. Nun kontrolliert das Unternehmen die Plattform auch wegen des Coronavirus verstärkt auf überzogene Preise.

Komplett wird man die überteuerten Angebote wohl nicht entfernen können. Denn die Händler, die auf den Plattformen aktiv sind, agieren trickreich und nutzen zum Teil falsche Schreibweisen wie „Disinfektion“. Atemschutzmasken firmieren dann einfach als Staubmasken. Somit fliegen die Angebote unter dem Radar der Plattform-Algorithmen.

Doch der Druck auf die schwarzen Schafe steigt. Ebay löscht oder schränkt Angebote im Zusammenhang mit dem Coronavirus inzwischen ebenfalls ein – auch aus moralischen Gründen, wie ein Sprecher sagte.

Einen gewissen Einfluss dürften jedoch auch die Ereignisse in Italien auf diese Entscheidung haben. Dort hat die Polizei bereits Büros von eBay und Amazon wegen der Preistreiberei durchsucht. Der italienische Verbraucherverband UNC begrüßte die Ermittlungen der Behörden, der Chef des Verbands sprach gar von einer „nationalen Schande“. Sieht man es in Deutschland auch so?

„Die Preise sind der Effekt aus Angebot und Nachfrage“, sagt Georg Tryba. Der Verbraucherzentrale-Sprecher hält das Verhalten manchen Händler zwar auch für wenig vorbildlich. Vom Straftatsbestand des Wuchers will er allerdings noch nicht sprechen.

„Wucher setzt eine Notlage voraus“, sagt Tryba. Die sei jedoch nicht gegeben. So hält das Robert-Koch-Institut Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel in seinen Empfehlungen für unnötig. Heißt: Wer trotzdem dafür solche Summen ausgibt, ist selbst schuld.

Ähnlich sieht es Friedrich Heinemann. „Die hohen Preise sind natürlich Ergebnis des enormen Nachfrageschubs“, sagt er. Der Wirtschaftswissenschaftler vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim betont allerdings auch, dass es einen gesellschaftlichen Konsens darüber gebe, dass ein solches Verhalten nicht „legitim“ sei. Händler, die überteuerte Ware anbieten, würden sich auf lange Sicht selbst keinen Gefallen tun.

Kein Katastrophenfall

Die Ausbreitung des Coronavirus hat nach Einschätzung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe noch nicht zu einer Katastrophenlage geführt. „Bei Corona sprechen wir noch nicht von Katastrophe, ausdrücklich und ganz bewusst nicht. Es ist im Moment noch eine Lage der Gesundheitsverwaltung“, sagte der Präsident des Bundesamtes, Christoph Unger. Die Bürger sollten sich stattdessen besser auf wirkliche Katastrophenfälle vorbereiten. „Für die echte denkbare größte Katastrophe, nämlich den Krieg, bei einem Verteidigungsfall, müssen wir wieder mehr an Vorsorgemaßnahmen treffen“, meinte Unger. dpa

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Erstellt:
06.03.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 54sec
zuletzt aktualisiert: 06.03.2020, 06:00 Uhr

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