Pandemiegefahr

Corona wird auch in den Flüchtlingslagern zum Problem

Überall werden Menschen dazu aufgefordert, soziale Kontakte einzuschränken. In den überfüllten Lagern ist das ein Ding der Unmöglichkeit.

21.03.2020

Von André Bochow / NBR

Not in Syrien: Ein Behelfslager für Familien, die aus Idlib geflüchtet sind. Foto: dpa

Not in Syrien: Ein Behelfslager für Familien, die aus Idlib geflüchtet sind. Foto: dpa

Berlin. Weltweit sind nach wie vor 70 Millionen Menschen auf der Flucht, darunter 12 Millionen Kinder. Geschlossene Grenzen bedeuten für viele Flüchtlinge, dass sie auf Dauer in hoffnungsloser Lage festsitzen. Nun droht auch noch Corona.

„Ein erhebliches Problem sehen wir in den Flüchtlingslagern“, sagt Simone Pott, Kommunikationschefin der Welthungerhilfe. „Wenn die Menschen in Kenia, Bangladesch oder wie jetzt in Syrien auf engstem Raum zu Zehntausenden, zu Hunderttausenden leben, dann zeigt die Erfahrung, dass Epidemien sich sehr schnell ausbreiten können.“ Noch hört man in Sachen Corona fast nichts aus den Flüchtlingscamps. „Wir haben bislang aus keinem der Flüchtlingslager einen gemeldeten Corona-Fall“, gibt Chris Melzer, Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR den aktuellen, vorläufigen Stand wieder. „Aber wir sind nicht naiv. Früher oder später wird es auch die Menschen in diesen Lagern treffen.“

Der Konflikt um Idlib in Syrien hat fast eine Million Menschen an die Grenze zur Türkei getrieben. „Und in Kutupalong in Bangladesch leben 640 000 Menschen im größten Flüchtlingslager der Welt“, sagt Melzer. „50 000 Menschen pro Quadratkilometer.“ Die Nichtregierungsorganisation Save the Children weist darauf hin, dass es in dem Lager weder die Möglichkeit gibt, auf Covid-19 zu testen, noch gibt es Intensivstationen. Präventionsmaßnahmen wie Selbstisolation seien unter solchen Bedingungen unmöglich. Auch die Situation in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln macht den Hilfsorganisationen Sorgen. Und nicht nur ihnen. „Wenn nicht schnell etwas passiert, steht eine kaum auszumalende Katastrophe bevor“, sagt der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger. „Die Lager müssen sofort evakuiert werden!“ Die Corona-Pandemie verhindert derzeit auch den Einsatz von Seenotrettungsschiffen. „Es ist kein einziges privates Rettungsschiff im Mittelmeer, obwohl weiter Flüchtlingsboote in Seenot sind“, sagte Ruben Neugebauer von der Organisation Sea-Watch dem Evangelischen Pressedienst. Unter anderem könne wegen der Reisebeschränkungen kaum eine Crew zusammengestellt werden. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl fordert gemeinsam mit anderen Organisationen, Abschiebungen europaweit grundsätzlich auszusetzen. „Sie erhöhen das Risiko der Verbreitung von Covid-19 und müssen deshalb eingestellt werden.“ Seit dieser Woche ist übrigens das Recht, in Deutschland Asyl zu beantragen, eingeschränkt. Antragsteller müssen entweder negativ auf das Virus getestet worden sein, oder eine 14-tägige Quarantäne nachweisen.

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Erstellt:
21.03.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 07sec
zuletzt aktualisiert: 21.03.2020, 06:00 Uhr

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