Rottenburg
Corona-Tagebuch: Gerold Ruggaber
Heute schreibt in unserer Kolumne Gerold Ruggaber (70), Rentner und Helfer im Tafelladen.
Anfang März war ich geschäftlich in München. Corona war im Anfangsstadium, gefühlt aber noch weit entfernt. Erste Vorsichtsmaßnahmen wie Verzicht auf Hände schütteln und mehr Abstand halten, hat man noch gelassen aufgenommen. Doch dann ging es Schlag auf Schlag. In mein gemütliches Rentnerdasein kam Bewegung. Geburtstagsfeiern wurden abgesagt, bei der ehrenamtlichen Tätigkeit in der Tafel standen konzeptionelle Änderungen an, nach wenigen Tagen dann die Schließung der Tafel. Not-Tafel in der Zehntscheuer, als älterer Mitarbeiter musste ich außen vor bleiben – Risikogruppe.
Meinen Hut ziehe ich vor dem Engagement von über 140 freiwilligen Helferinnen und Helfer – meist junge Leute – die mit tollem Einsatz täglich bedürftige Familien mit Lebensmitteln versorgten. Für mich hatte die große Freizeit begonnen. Dank dem meist schönen Wetter konnte ich mit meiner Frau viele ausgedehnte Mountainbike-Touren machen. Der Schönbuch, das Gäu, viele Flusstäler wurden in Angriff genommen, die Natur wurde einem wieder mal so richtig bewusst. Nur die gemütliche Rast bei einem kühlen Weizen habe ich schmerzlich vermisst. Meinem Jahresziel von 3000 km bin ich dadurch schon sehr nahe gekommen.
Nicht zu vergessen, die vielen sonnig, lauen Abende bei einem Glas Wein im Garten. Das war sehr entspannend. Etwas Abwechslung brachten die Besuche der Kinder, die uns allerdings immer wieder streng ermahnten, die Regeln einzuhalten.
Die ersten Lockerungen im Mai brachten dann wieder Bewegung in meine „Corona-Freizeit“. Die ehrenamtliche Arbeit konnte wieder aufgenommen werden. Die Not-Tafel wurde Ende Mai beendet, ein neues Konzept musste her. Besprechungen, Vorbereitungen und Personalsuche, dann ein mehrtägiger Probelauf und seit Anfang Juni täglich im Einsatz. Aus war’s mit dem ruhigen Rentnerleben. Der „Lockdown“ hat bei mir viele positive Eindrücke wie z.B. gesellschaftlicher Zusammenhalt hinterlassen. Natürlich haben die Treffen mit Freunden und Bekannten gefehlt. Geärgert haben mich die Verschwörungstheorien, die wie „Phoenix aus der Asche“ in den sozialen Netzwerken heraufbeschworen wurden.
Mit dem Maskenschutz tue ich mich immer noch schwer. Oft merke ich vor dem Geschäft, dass die Maske unangetastet zuhause liegt und ich den Rückwärtsgang wieder einlegen muss. Aber wie heißt es so schön: „Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Beinen.“