Tübingen · Integration

Palmer schreibt an Habeck: Bürokratischen Haken beseitigen

OB Boris Palmer schreibt an den Grünen-Chef Robert Habeck mit einem Vorschlag, ein faktisches Arbeitsverbot für ausgebildete Geflüchtete zu verhindern.

10.11.2021

Von ST

Boris Palmer. Archivbild: Ulmer

Boris Palmer. Archivbild: Ulmer

In einem Brief an den Bundesvorsitzenden der Grünen Robert Habeck hat Oberbürgermeister Boris Palmer für die laufenden Koalitionsverhandlungen eine Gesetzesänderung für eine bessere Arbeitsmarktintegration von Asylbewerbern angeregt. Seine Forderung nach einem „Spurwechsel“ ist nicht neu, sondern von 2016 und steht ähnlich auch schon im Sondierungspapier der Ampel-Parteien (siehe Infobox). Doch der Oberbürgermeister macht auf einen Haken in der Praxis aufmerksam.

Palmer schreibt an Habeck: „Die Universitätsstadt Tübingen hat auf meine Initiative als bislang einzige Stadt in Deutschland ein Flüchtlingsstipendium für Ausbildungsberufe ins Leben gerufen. Für die ersten sechs Monate übernimmt die Stadt die Vergütung der Azubis. Damit wollen wir die Betriebe ermutigen, das erhöhte Risiko eines Abbruchs der Ausbildung wegen fehlender Vorkenntnisse einzugehen. Mit gutem Erfolg. Vor wenigen Tagen konnte ich ein Dutzend fertig ausgebildeter Fachkräfte des ersten Stipendiatenjahrgangs im Rathaus begrüßen: Köche, Metzger, Altenpfleger – viele händeringend gesuchte Berufe. Die Freude wurde allerdings durch eine vehemente Klage der Ausbildungsbetriebe stark getrübt: In zahlreichen Fällen folgte auf den Abschluss der Ausbildung die erzwungene Arbeitslosigkeit.“

Warum? „Das Ausländeramt der Stadt konnte keine Aufenthaltsgenehmigung erteilen, so dass die Ausgebildeten trotz Arbeitsvertrags einem Arbeitsverbot unterliegen und in den Leistungsbezug geschickt werden. Das ist ein unhaltbarer Zustand.“

2016 habe er mit seinem Amtskollegen Richard Arnold aus Schwäbisch Gmünd einen Spurwechsel gefordert: „Geflüchtete sollen unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens ein Bleiberecht erhalten, wenn sie keine Straftaten begehen, unsere Sprache lernen und einen Beruf ergreifen, in dem sie gebraucht werden. Mit der so genannten 3+2-Regel wurde das in Teilen erfüllt. Auf die Ausbildungsduldung von bis zu drei Jahren kann eine Aufenthaltsgenehmigung von zwei Jahren zur Aufnahme der Berufstätigkeit im erlernten Beruf folgen.“

Doch: „Leider hat sich hierbei eine bürokratische Hürde eingeschlichen.“ Die Ausländerbehörde müsse in der Regel die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen, bevor sie eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Das aber dauere oft Wochen und verhindere „die Übernahme direkt nach dem Abschluss der Ausbildung“.

Palmers Lösung: „Mindestens bei einer direkten Übernahme im Ausbildungsbetrieb kann man darauf vertrauen, dass Arbeitgeber ein Interesse haben, die erworbene Fachqualifikation auch zu nutzen. Die Entscheidung des Arbeitgebers bedarf nach meiner Meinung keiner aufwändigen Prüfung durch die Agentur für Arbeit. Dieser bürokratische Aufwand kann einfach entfallen. Falls man doch an einer Prüfung festhalten will, muss den Ausländerbehörden mindestens gestattet werden, eine kürzer befristete Aufenthaltsgenehmigung zur Vermeidung eines Arbeitsverbots zu erteilen.“

Der Brief schließt: „Nach meiner Auffassung gibt es keine bessere Integrationsmaßnahme für Geflüchtete als eine reguläre Arbeit. Arbeitsverbote für ausgebildete Fachkräfte halte ich für groben Unfug. Eine entsprechende Änderung des §18 Aufenthaltsgesetz möchte ich hiermit anregen.“

Was die Ampel will

Im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP heißt es: „Wir wollen ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht schaffen. Wir wollen das Fachkräfteeinwanderungsgesetz praktikabler ausgestalten. Wir wollen außerdem ein Punktesystem als zweite Säule zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften einführen. Diejenigen, die gut in Deutschland integriert sind und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen, sollen schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten können. Wir wollen einen Spurwechsel ermöglichen und die Integrationsmöglichkeiten verbessern.“

Zum Artikel

Erstellt:
10.11.2021, 17:52 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 10.11.2021, 17:52 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!