Pro & Kontra

Kommentare: Brauchen wir eine Impfpflicht?

Die Coronazahlen steigen, und die Impfquote reicht nicht, um die Pandemie zu beenden. Sind Zwangsmaßnahmen die Lösung?

17.11.2021

Von Stefan Kegel Caroline Strang

Pro: Caroline Strang

Seit Monaten reden sich Wissenschaftler und Politiker den Mund fusselig. Trotzdem gibt es immer noch 15 Millionen Menschen, für die die Impfstoffe längst zugelassen sind, die aber eine Immunisierung verweigern. Die Folge davon erleben wir alle derzeit hautnah. Wer immer noch nicht verstanden hat, dass Impfung der einzige Weg aus dieser Situation ist – ohne 100 000 weitere Corona-Tote und ein überfordertes Gesundheitssystem –, muss zu seinem und unserem Glück gezwungen werden. Eine Impfpflicht ist angesichts der Dramatik der Situation ein zwar zurecht umstrittener, aber nötiger Schritt. Er rettet Leben.

Denn die Frage ist: Wenn alles Reden, wenn alle guten Argumente nicht helfen, was bleiben dann noch für Mittel? Die Pandemie einfach laufenlassen? Wieder alle, sogar die Kinder, durch Schulschließungen und Lockdowns büßen lassen? In den vergangenen anderthalb Jahren wurden wir alle zu vielem gezwungen. Nun fehlt noch die Impfpflicht für die Uneinsichtigen. Sie könnte juristisch durchaus haltbar sein. Die Klagen gegen die Masernimpfung, ohne die seit 2020 kein Kind mehr in die Kita oder die Schule gehen darf, wurden vor Gericht bisher mit dem Argument des Allgemeinwohls abgeschmettert.

Wer damit argumentiert, dass das die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben würde, dem sei gesagt: Sie ist leider längst da. Ein Teil der Impfgegner ist radikalisiert, auch die Geimpften werden immer wütender. Einschränkungen für alle könnten mehr gesellschaftliche Schäden anrichten als die Impfpflicht für eine Minderheit. Auch wenn dieses Mittel aus Verzweiflung und mangelnden Alternativen geboren ist, es muss nun endlich wirklich diskutiert werden.

Kontra: Stefan Kegel

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. So lautet Artikel 2 des Grundgesetzes. Mit ihm können sich beide Seiten – Gegner und Befürworter einer Impfpflicht – auf ihr verfassungsmäßiges Recht berufen. Die einen, weil eine Impfpflicht das Leben vieler Menschen retten würde. Die anderen, weil für sie die Unantastbarkeit ihres Körpers mehr zählt. Beides gegeneinander abzuwiegen, ist eine Gratwanderung.

Es gibt viele Gründe, die gegen eine generelle Impfpflicht sprechen. Und damit sind nicht irre Verschwörungsmythen gemeint. Eine Impfpflicht muss gesellschaftlich gedacht werden. Welche Folgen hat es für eine Demokratie, wenn sie einen Staatsbürger zur Verfügungsmasse macht? Im Namen eines zum übergeordneten Wohl erklärten Zieles würde er gegen seinen Willen zu einem – wenn auch kleinen – Eingriff in seinem Körper gezwungen. Und das, obwohl beide Rechte im Grundgesetz gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Hinzu kommt die Frage der Durchsetzbarkeit. Was soll mit Impfverweigerern geschehen? Sollen 15 Millionen Menschen eingesperrt werden? Hohe Strafen zahlen? Oder gar zwangsgeimpft und somit vollends zum Objekt degradiert und ihres Grundrechts Nummer eins, nämlich ihrer Würde, beraubt werden?

Nein, in einer freiheitlichen Gesellschaft trägt jeder Mensch Verantwortung. Bestenfalls auch für andere, aber in erster Linie für sich selbst. Wenn er sich gegen eine Impfung entscheidet, ist das seine ureigene Sache. Aber er muss bereit sein, die Folgen zu tragen. Etwa, dass er nicht wie Geimpfte am öffentlichen Leben teilnehmen kann, weil er eine potenzielle Gefahr für die Gesellschaft darstellt.

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Erstellt:
17.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 17.11.2021, 06:00 Uhr

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