Mehr Leben als im Videospiel

Auf Nachwuchssuche: Die Feuerwehr Dußlingen gehört zu den am besten ausgestatteten der Region

Das Haus ist vor allem im Abendlicht eine Augenweide. Es erscheint immer noch wie neu – und wirkt mit viel Glas, Sichtbeton und Klinker futuristisch, gerade wenn die hellen Fenster auf die nahe B27 strahlen. Seit acht Jahren hat die Dußlinger Feuerwehr einen der tollsten Stützpunkte der Region.

30.11.2018

Von Eike Freese

Zwei von 45: Kommandant Frank Klett und Jugendwart Patrick Klett mit Schneidgerät zur technischen Hilfeleistung. Bild: Klaus Franke

Zwei von 45: Kommandant Frank Klett und Jugendwart Patrick Klett mit Schneidgerät zur technischen Hilfeleistung. Bild: Klaus Franke

Denn von innen sieht es nicht anders aus: Rund um den Funkraum gruppieren sich Hallen und Freitreppen und zahllose modern ausgestattete Spezialräume. Werkstätten sind dabei, ein Tischkicker steht auch irgendwo. Spezialausrüstung gibt es unter anderem für die Arbeit im nahen Tunnel: Wärmebildkameras etwa oder viele Atemgeräte. Die Dußlinger Feuerwehr ist unter anderem dafür verantwortlich, dass bei einem möglicherweise katastrophalen Zwischenfall unterirdisch schnell geholfen wird.

Dass die Arbeit hier interessanter ist als anderswo, heißt indes nicht, dass den Männern und Frauen an der Hechinger Straße die Bude von Frischlingen eingerannt wird. „Es ist hier wie überall in Deutschland“, sagt Frank Klett, 41, Kommandant der Dußlinger: „Wie bei den meisten Vereinen und Institutionen: Engagierte Leute werden immer dringender gebraucht.“

45 Freiwillige sind derzeit in der Dußlinger Feuerwehr aktiv. Ein klassischer Löschzug besteht aus 22 Leuten, und den hat man noch immer zusammenbekommen, so Klett. Aber Bedarf will der erfahrene Kommandant nicht erst ankündigen, wenn ein Wagen nicht mehr losfahren kann. „Ideal ist es, wenn jeder Sitzplatz doppelt besetzt werden kann“, so Klett: „Und wir auch tagsüber Reserven haben.“ Das ist nämlich die Problemzeit für Feuerwehren landauf, landab: Wenn die Freiwilligen in ihren Jobs und damit nicht so leicht verfügbar sind – vielleicht sogar in einem anderen Ort.

„Die Wunschvorstellung sind Leute, die in Dußlingen leben und arbeiten – und noch dazu einen Super-Chef haben“, sagt Klett, wohlwissend, dass nicht jeder Feuerwehrmann diesem Bild entspricht. Sowohl er als auch Jugendwart Patrick Klett pendeln jeden Tag zu ihren Arbeitsstellen nach Reutlingen und zurück.

Bild: Gemeinde

Bild: Gemeinde

So wie viele andere Dußlinger übrigens auch: Im Ort wird statistisch gesehen eher gelebt als gearbeitet. „Für Auspendlergemeinden wie Dußlingen ist es immer noch ein wenig komplizierter als für alle anderen eh schon“, so Frank Klett.

Dabei kann der Feuerwehrprofi nur erklären, aber nicht innerlich nachvollziehen, warum es nicht genug junge Männer und Frauen in die Feuerwehren zieht. „Hier ist mehr Leben als in jedem Videospiel“, grinst der Familienvater. Klett glaubt, dass die Mitarbeit den Leuten oft genau das geben kann, was vielen fehlt: eine Bindung, ein Netzwerk, echte Herausforderung und das Gefühl, anderen zu helfen – und zwar richtig helfen. Leben retten. „Aktueller geht‘s nicht, finde ich“, sagt Klett. Selbst für Arbeitgeber gebe es Vorteile: „Wenn sie einen Feuerwehrmann aus Dußlingen im Unternehmen haben, haben Sie schon mal kein Problem mit der Ersten Hilfe.“ Und dass eine gute Feuerwehr im Ort die Existenz des Unternehmens sichert, ist sowieso klar, sagt der Kommandant.

Wieso also noch Schwierigkeiten? Patrick Klett, der als Jugendwart für die Jugendfeuerwehr mit knapp 20 Kindern und Jugendlichen verantwortlich ist, erklärt das so: „Es gibt für uns einige Hürden, bis aus einem zehnjährigen Schüler ein 25-jähriger Feuerwehrmann geworden ist.“ Die Schule, oft bis weit in den Nachmittag. Die anderen Hobbies. Die Pubertät. Später Abschluss-Stress, vielleicht ein Studium in einer anderen Stadt, erste Berufsjahre. Und immer mehr Konkurrenz-Angebote. „Davon gibt es einfach immer mehr, der Trend ist nicht mehr rückgängig zu machen“, so der 30-jährige Patrick Klett. Viele Nachwuchskräfte in Dußlingen kommen zwar immer noch über die Familie zur Feuerwehr, Patrick Klett etwa hatte Vater und Großvater bei der Wehr. Aber auch das ist Teil des Problems: Immer weniger Leute leben im Erwachsenenalter an dem Ort, wo sie aufgewachsen und an den sie familiär gebunden sind.

Kommandant Frank Klett ist sich sicher, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch mehr über Hauptamtlichkeit nachgedacht werden muss. „Freiwilligkeit ist super, aber wenn es irgendwann nicht mehr reichen sollte, müssen alle umdenken“, so der Dußlinger. Derzeit etwa liegt ein hauptberuflicher Gerätewart für die Dußlinger Wehr mit ihrer überbordenden Ausrüstung in der Luft. Entscheiden muss der Gemeindeverwaltungsverband Steinlach-Wiesaz. Eine weitere mögliche Reform: nahegelegene Feuerwehren zusammenlegen. „Eine Möglichkeit unter vielen, wenn auch nicht die ideale“, so Frank Klett: „Die Identifikation und die Ortskenntnis eines Feuerwehrmanns gegenüber seiner Gemeinde: Das ist für alle Seiten ein nicht zu unterschätzendes Gut.“

Der Einstieg bei der Feuerwehr

Die Grundausbildung zum Feuerwehrmann dauert nicht wirklich lang: Oft hat man 7 Wochen lang samstags und zwei mal werkstags abends Unterricht. Das war’s. Davor gibt es eine Probezeit. Ab 18 darf man in Deutschland Feuerwehrmann oder -frau werden, echte Enthusiasten dürfen schon mit 17 die Ausbildung beginnen. „Wer fit ist, darf bis 65 mitmachen“, sagt Kommandant Frank Klett. Nach der Grundausbildung machen die Freiwilligen oft Truppmann-, Atemschutz-, Truppfüher- Sprechfunk- oder Maschinistenschein. Später können weitere Qualifikationen dazukommen. Wer sich für die Mitarbeit bei der Dußlinger Feuerwehr interessiert, kann unter der E-Mail-Adresse info@ff-dusslingen.de Konktakt aufnehmen – oder per Telefon (07072/ 126579 sowie speziell 07072/505572 für die Jugendfeuerwehr).

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Erstellt:
30.11.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 30.11.2018, 01:00 Uhr

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