Automobil-Elektronik

Bosch will in Reutlingen 500 Stellen abbauen

Das Unternehmen will die Effizienz des Standorts Reutlingen steigern. Betriebsrat und IG Metall sind von den Plänen komplett überrascht.

28.11.2019

Von Thomas de Marco

Die 2010 eröffnete Bosch-Halbleiterfabrik in Reutlingen. Bild: Bosch

Die 2010 eröffnete Bosch-Halbleiterfabrik in Reutlingen. Bild: Bosch

Diese Nachricht hat am Bosch-Standort Reutlingen wie eine Bombe eingeschlagen: Das Unternehmen will im Bereich Automobil-Elektronik in den nächsten drei Jahren deutschlandweit rund 600 Stellen abbauen, 500 davon am Standort Reutlingen.

Hier arbeiten rund 8000 Menschen in der Automobil-Elektronik. Den weltweiten Rückgang der Automobilproduktion um bis zu sechs Prozent sowie den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit führte Andreas Fischer vom Bereichsvorstand als Gründe an. Völlig überrumpelt von der Nachricht wurden der Bosch-Betriebsrat wie auch die Gewerkschaft IG Metall.

„Unfassbar! Erst im Dezember ist nach langen Verhandlungen eine Betriebsvereinbarung geschlossen worden, die den Standort sichert und eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2025 gibt. Und nun das. So geht man nicht miteinander um, das ist alarmierend“, sagte Tanja Silvana Grzesch, die Erste Bevollmächtige der IG Metall Reutlingen-Tübingen, auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz. „So einen Personal-Abbau in allen Bereichen hat es seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr gegeben“, betont der Bosch-Betriebsratsvorsitzende Daniel Müller.

600 Stellen seien überschaubar

Fischer vom Bereichsvorstand erklärt, die Veränderungen in der Auto-Industrie in diesem Jahr seien bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht absehbar gewesen. Die Handelskonflikte hätten die Situation noch verschärft. Bei 12 700 Beschäftigten in der Automobil-Elektronik in ganz Deutschland sei der Abbau von 600 Stellen keineswegs dramatisch, sondern überschaubar.

Mit den „personellen Anpassungen“ sei die notwendige Transformation bei der Automobil-Elektronik abgedeckt, der Standort könne „froh und auf stabilem Pfad in die Zukunft gehen“. Mit den Bereichen „Perfectly keyless“ (digitaler Autoschlüssel) und Halbleiter aus Siliziumkarbid für die E-Mobilität besetzt Bosch bereits zukunftsträchtige Technik-Felder.

Der Stellenabbau werde sozialverträglich mit Altersteilzeit, Vorruhestand, Abfindungen oder Umschulungen vollzogen. „Wir stehen zum Standortvertrag vom vergangenen Jahr. Das schließt betriebsbedingte Kündigungen aus.“

Die Leute beruhigen

Der Betriebsrat sagt dazu, ihm gegenüber sei von „möglichst sozialverträglichem Stellenabbau“ gesprochen worden. 500 Arbeitsplätze seien in drei Jahren auch nicht sozialverträglich abzubauen, befürchtet Grzesch. So ein Vorhaben sei auch keineswegs gut für die Motivation der Belegschaft. „Wir müssen jetzt erst einmal die Leute beruhigen“, sagt die Frau an der Spitze der IG Metall Reutlingen-Tübingen.

„Im Moment sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voll ausgelastet. Deshalb verstehen wir den angekündigten Abbau nicht“, betont der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Thorsten Dietter. Die meisten Produkte, die im Leitwerk Reutlingen hergestellt werden, würden auch im Ausland produziert, sagt Müller. „Dort wird aber die Produktion normal weitergefahren. Wir sehen nicht ein, dass nur einseitig am Leitwerk Reutlingen Personal abgebaut wird.“ Mehr noch: Er befürchte nun vielmehr, dass Arbeit von Deutschland ins Ausland verlagert werden solle. „Was an Produktion weg ist, ist weg!“, warnt Dietter.

Die Bereichsleitung will mit dem Personalabbau die Effizienz des Standorts steigern. „Wir gehen jetzt in die Diskussion mit den Arbeitnehmer-Vertretern“, sagt Fischer. Der Zeitplan werde mit dem Betriebsrat diskutiert. „Wir sind sicher, dass unsere Erläuterungen Hand und Fuß haben. Und wir sind von der geplanten Transformation überzeugt“, betont Fischer, der im Bereichsvorstand für kaufmännische Aufgaben zuständig ist.

Streiks geplant?

Der Standort Reutlingen sei bekanntermaßen sehr beteiligungs-bezogen, sagt Grzesch. „Wenn Zusagen von heute auf morgen gekippt werden, dann werden wir auch reagieren.“ In der ersten Pressemitteilung der IG Metall warnte sie denn auch: „Wer Wind säht, wird Sturm ernten.“ Sind damit also Streiks gemeint? „Wir wollen der Leitung erst einmal die Chance geben, sich uns zu erklären“, sagt Dietter dazu. „Aber wir versuchen, mit der Belegschaft das Beste für den Standort herausholen – und da sind wir bekanntlich ein starker Konkurrent!“

IHK sieht Abschwung in der Region angekommen

Der Standort Reutlingen ist bei Bosch das Leitwerk für die Automobil-Elektronik. Rund 8000 Menschen sind beschäftigt. Nun sollen in den nächsten drei Jahren etwa 500 Stellen wegfallen – das sind 6,25 Prozent. In ganz Deutschland, wo 12 700 Beschäftigte in dem Bereich arbeiten, sollen weitere 100 Stellen wegfallen. Der von Bosch angekündigte deutliche Stellenabbau zeige, dass der Abschwung die Region erreicht habe, sagt Wolfgang Epp, Hauptgeschäftsführer der IHK Reutlingen. „Die Industrie und die Automobilzulieferer stehen insgesamt vor schwierigen Monaten. Der Export geht zurück, die derzeit noch stabile Inlandsnachfrage kann davon in Mitleidenschaft gezogen werden. Laut unserer Beschäftigungsprognose sind die Unternehmen mit Neueinstellungen zurückhaltender.“

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Erstellt:
28.11.2019, 12:25 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 07sec
zuletzt aktualisiert: 28.11.2019, 12:25 Uhr

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