Tübingen

Bolzplatz-Kolumne: Cup of Water von Viva con Agua Tübingen

Wieder einmal straft ein Hobbyturnier den Profifußball Lügen, dessen Protagonisten Gier zur Tugend erheben, ja sogar zur Grundvoraussetzung für Erfolg.

26.04.2023

Von Rainer Imm

Mit Bolzplatzmentalität und Metallica zum Turniersieg. Bild: Rainer Imm

Mit Bolzplatzmentalität und Metallica zum Turniersieg. Bild: Rainer Imm

So fordert FC Liverpool-Trainer Jürgen Klopp von seinen Spieler eine große Gier ein. Joshua Kimmich und Leon Goretzka werden gar als „Generation Gier“ gehandelt. Gier ist aber keine Tugend, sondern ein unsozialer Wesenszug und der Fußball wird von ihr zerfressen. Nur eine Gesellschaft von Egoisten kann sie als Stärke postulieren. Sie hat nichts auf Fußball- und Bolzplätzen zu suchen, auch wenn sie sich ja „nur“ auf Ballbesitz und Taktik beziehe, wie manche Trainer und Spieler scheinheilig behaupten. Auch bei der neunten Auflage des Cup of Water am letzten Samstag auf dem Bolzplatz hinter dem Tübinger Freibad war Gier wie immer kein Thema. Der Freizeitfußball als Vorbild –Neuhochdeutsch: Role Model– für die Profikicker, unter anderem für Thomas Müller, der allen Ernstes behauptet, seine Gier werde einerseits von der Gesellschaft vorgegeben, zum anderen stecke sie in jedem Einzelnen drin. Das bestens organisierte Hobbyturnier mit seinen elf Teams bewies das Gegenteil und zeigte auf, was den verwöhnten Jungmillionären wirklich fehlt. Nämlich genau das, was der DFB bereits im Februar 2019 während des Workshops „Zurück an die Weltspitze“ für den Kurswechsel gefordert hatte: die Bolzplatzmentalität. Einerseits die Frechheit, auch mal etwas anders zu machen, der Mut, das Risiko zu suchen und Dribblings zu probieren, anstatt sich in strukturelle Sicherheit zu begeben, andererseits aber auch Zusammenhalt, Leidenschaft und Charakter. Eigenschaften und Einstellungen, die deutsche Profis in den letzten Jahren trotz Workshops und neuem Bundestrainer vermissen lassen, die Freizeitkicker beim Cup of Water dagegen nicht. Allen voran das Team Arschsuff – der Name wurde bei einem Umtrunk im Besen gefunden –, das genau die vom DFB geforderten Tugenden auf den Platz brachte.

Das Team wurde durch ihre eigene Fangruppe „Der schwarze Block“ mit Sprechchören und passender Musik lebhaft, laut und sympathisch unterstützt. „Nothing Else Matters“ von Metallica war dabei Programm und Motivation zugleich und trug zum überraschenden Turniersieg bei. Im Finale bezwang die Mannschaft aus Tübinger und Reutlinger Freunden die favorisierte SK Lation im Neun-Meter-Schießen. Auch im Spiel um Platz drei gewannen Außenseiter. Die Truppe des Veranstalters Viva con Agua hatte sich verstärkt und zum eigenen Erstaunen gegen die alten Hasen von Terra Rossa gewonnen. Platz 5 bis 10 belegten: Die Besiegbaren, Tübinggang, 1. FC Seitfallzieher, Menschenrechtswoche Tübingen, Muttis Beste und Mühlbachkickers. The Vanishing Gradients, das Team des KI-Zentrums Tübingen, kam auf den letzten Platz. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Die Organisatoren um Turnierdirektor Levin Balci verlangten keine Teilnahmegebühren, baten aber um Spenden. Der gemeinnützige, im Jahr 2006 gegründete Verein „Viva con Agua de Sankt Pauli“ ist mittlerweile zu einem internationalen Netzwerk herangewachsen. Er setzt sich weltweit für einen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung ein. Die Spende der Hobbykicker von rund 300 Euro wird für eines seiner Projekte verwendet: Brunnenbau, Regenauffangbecken, öffentliche Toilettenhäuser und Hygiene-Workshops, unter anderem in Uganda, Äthiopien, Mosambik, Indien und Nepal.

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Erstellt:
26.04.2023, 18:35 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 26.04.2023, 18:35 Uhr

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