Fernsehfilm · Interview

Bjarne Mädel: „Meine Eltern sind stolz auf mich“

Bjarne Mädel über seine Rolle als Paketbote im Pech, Konsumverzicht, Vaterschaft und die vielen Jobs, mit denen er sich vor seiner TV-Karriere über Wasser gehalten hat.

12.10.2021

Von Cornelia Wystrichowski

Schauspieler Bjarne Mädel verkörpert im Film „Geliefert“ einen Paketboten. Foto: Felix Hörhager/dpa

Schauspieler Bjarne Mädel verkörpert im Film „Geliefert“ einen Paketboten. Foto: Felix Hörhager/dpa

Berlin. Er ist eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Fernsehlandschaft: Mit seinem trockenen Humor und seinen skurrilen Rollen begeistert der gebürtige Hamburger Bjarne Mädel seine Fans. Im Vater-Sohn-Drama „Geliefert“ (Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD) spielt der 53-jährige Schauspieler den allein erziehenden Paketboten und Pechvogel Volker, der aus Geldnot heraus einen illegalen Zweitjob annimmt und darüber stolpert.

Herr Mädel, im Film „Geliefert“ spielen Sie den Paketboten Volker. Shoppen Sie selber viel im Internet?

Bjarne Mädel: Nein. Ich bin beim Thema Konsum generell nicht so anfällig und versuche momentan besonders mich zurückzuhalten. Wir leben in einer Zeit, wo man darüber nachdenken sollte, was man wirklich braucht und was im Leben wichtig ist. Es gibt zwar manchmal Sachen, die man nur im Internet kriegt, etwa ein bestimmtes Ersatzteil, aber ich versuche, das Bestellen zu vermeiden. Der Einkaufswahn vieler Leute irritiert mich, ich verstehe nicht, was sie davon haben, sich so viel Zeug anzuschaffen. Gerade in der Pandemie haben die Menschen ja nicht aufgehört zu bestellen – viele Sachen nur, um sie sich anzugucken und wieder zurückzuschicken. Das ist eine Katastrophe für die Umwelt und buchstäblich eine Last für diejenigen, die das alles schleppen müssen.

Haben Sie zur Vorbereitung auf die Rolle einen echten Paketboten auf seiner Tour begleitet?

Das war gar nicht nötig. Ich habe das früher selber mal als Job gemacht, deshalb weiß ich aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, Pakete zu schleppen. Ich kenne auch diesen permanenten Zeitdruck, der so groß ist, dass man nicht mal Gelegenheit hat, aufs Klo zu gehen, sondern wie Volker in einer Szene des Films in eine Flasche macht, um Zeit zu sparen. Das ist alles leider sehr authentisch.

War das damals ein Studentenjob?

Ja, da habe ich in Erlangen Theaterwissenschaft und Literatur studiert und es war ein Ferienjob im Sommer. Ich habe aber nicht Privathaushalte beliefert, sondern Drogeriemärkte und andere Läden, ich bin da so über die Dörfer gefahren. Ich hatte damals auch einen schweren Unfall, weil die Bremsen des Lieferwagens versagt haben, das war insgesamt keine schöne Erfahrung.

Sie haben vor Ihrer Schauspielkarriere diverse Jobs gemacht, waren etwa während Ihrer Zeit in den USA als Putzmittelvertreter unterwegs. Konnten Sie sich nur so über Wasser halten?

Nach der Schule war es finanziell nötig, um mir meine Miete zu verdienen, ich wollte ja nicht unbegrenzt meinen Eltern auf der Tasche liegen. Es war bei uns in der Familie grundsätzlich immer so, schon als ich klein war: Wenn ich etwas Außergewöhnliches haben wollte, musste ich etwas dafür machen, zum Beispiel im Haushalt helfen – um den Wert der Dinge schätzen zu lernen. In einem Sommer habe ich mal fünf, sechs Wochen im Hamburger Hafen gearbeitet, um mir ein Moped kaufen zu können, damit ich mich unabhängig bewegen kann.

„Aber ich bin natürlich Sohn“

Der Film „Geliefert“ erzählt eine Vater-Sohn-Geschichte. Was hat Sie daran gereizt? Sie selber sind ja bislang nicht Vater.

Aber ich bin natürlich Sohn, insofern konnte ich da auch eigene Erfahrungen, eigene Emotionen reinbringen. Und gerade die Frage, welche Verantwortung es bedeutet, ein Kind zu haben, hat mich interessiert. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich kein Kind habe: Weil ich das immer als eine enorme Verantwortung empfunden habe. Diese Gedanken konnte ich in dem Film benutzen: Volker fühlt sich ja nicht nur dafür verantwortlich, dass er seinen Sohn ernährt und ihm eine Klassenfahrt ermöglichen kann, sondern auch, dass ein Mensch mit den richtigen Werten aus ihm wird.

Volker steht in der Schlüsselszene vor der Frage, ob er seinen Werten treu bleiben will. Was heißt das für Sie, sich treu bleiben?

Schauspielerisch heißt das: Nicht einzuknicken, nur weil ein Angebot sehr lukrativ ist, da bin ich eigentlich sehr konsequent. Wenn ein Film mich gar nicht interessiert oder etwas transportiert, das ich nicht erzählen möchte, also zum Beispiel rassistische oder sexistische Inhalte gutheißt, würde ich die Rolle auf gar keinen Fall zusagen. Im Privaten ist mein Gradmesser: Ich möchte mich immer im Spiegel anschauen können. Ich frage mich zum Beispiel, was das für Menschen sind, die an Waffenlieferungen in Kriegsgebiete verdienen, oder die wissentlich Sachen unterstützen, die die Umwelt zerstören. Wie kann so jemand guten Gewissens in den Spiegel gucken oder seinen Kindern oder Enkeln ins Gesicht sehen?

Sind Ihre Eltern stolz auf Sie?

Ja, enorm. Manche Kinder arbeiten sich ja ihr Leben lang daran ab, die Anerkennung ihrer Eltern zu bekommen, bis ins hohe Alter wollen besonders Söhne von ihren Vätern einmal den Satz hören: „Ich bin stolz auf dich!“ Ich kriege zum Glück sehr viel Liebe von meinen Eltern, sie sind sehr stolz und freuen sich, wenn Sachen gut laufen. Sie sind aber in erster Linie froh, dass ich glücklich bin mit dem, was ich mache. Das ist ihnen wichtiger als Preise, die ich eventuell verliehen bekomme.

Sie sind mit Serien wie „Stromberg“, „Tatortreiniger“ und „Mord mit Aussicht“ zum Star geworden. Wie soll es weitergehen?

Grundsätzlich habe ich so viele Jahre in Serien gespielt, dass ich jetzt lieber Einzelstücke drehe. Die Vorstellung, erneut zig Folgen lang immer dieselbe Figur zu spielen, schreckt mich ein bisschen ab.

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Erstellt:
12.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 43sec
zuletzt aktualisiert: 12.10.2021, 06:00 Uhr

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