Flüchtlingsdrama

Bischof Gebhard Fürst appelliert an Bundesregierung

Die Aufnahme der von der Sea-Watch 3 aus Seenot geretteten Menschen sei aus humanitären Gründen geboten.

04.01.2019

Von Gert Fleischer

Gebhard Fürst

Gebhard Fürst

Bischof Gebhard Fürst unterstützt den Appell seines Flüchtlingsbeauftragten Ludwig Rudloff, die 32 am Samstag vor Weihnachten aus dem Mittelmeer vor Libyen geretteten Menschen schnellstmöglich nach Deutschland in Sicherheit zu bringen. Das teilte das Bischöfliche Ordinariat (BO) in Rottenburg mit. „Das gebietet uns allein schon die Humanität“, wird Fürst zitiert. Flüchtlinge und die Besatzung des deutschen Rettungsschiffs „Sea-Watch 3“ befänden sich in einer „außerordentlich schwierigen Situation“.

Wie vor einer Woche berichtet, hatte sich Rudloff bereits vorige Woche gemeinsam mit der Berliner Hilfsorganisation Sea-Watch an Bundesinnenminister Horst Seehofer gewandt: „Es kann doch nicht sein, dass die Bundesregierung die Aufnahme von 32 aus Seenot geretteten Menschen verweigert, obwohl 30 Städte in Deutschland bereit sind diese Menschen aufzunehmen!“ Daraufhin hatte das Ministerium getwittert, Deutschland habe im Jahr 2018 schon 115 aus Seenot Gerettete aufgenommen. Und: „Auch im Fall der unter niederländischer Flagge fahrenden Sea-Watch 3 verschließt sich das BMI grundsätzlich nicht einer Aufnahme. Voraussetzung dafür ist eine ausgewogene Verteilung der geretteten Personen auf verschiedene EU-Mitgliedsstaaten im Sinne einer gemeinsamen europäischen Verantwortung und Solidarität.“

Hoheitszone ja, anlegen nein

Die 32 Flüchtlinge, unter ihnen vier Frauen, zwei Kleinkinder, ein Baby und drei unbegleitete Minderjährige, befinden sich seit zwei Wochen an Bord der Sea-Watch 3 im Mittelmeer. Laut Sea-Watch weigerten sich Italien, Malta, Spanien, die Niederlande und Deutschland, die Menschen aufzunehmen. Die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR verlangte eine Anlegeerlaubnis in einem nahen Hafen. Die katholischen Bischöfe Maltas, Charles Scicluna und Mario Grech, sowie Weihbischof Joseph Galea-Curmi „pochen auf eine rasche Anlegeerlaubnis für das Flüchtlingsrettungsschiff in Malta“, schreibt das BO in Rottenburg.

Am Mittwoch erklärten sich die Niederlande bereit – unter ähnlichen Bedingungen, wie sie das deutsche Innenministerium gestellt hat – einen Teil der Flüchtlinge aufzunehmen. Am Mittwochabend meldete „Zeit online“, Malta lasse die Sea-Watch 3 und ein weiteres deutsches Rettungsschiff, die „Professor Albrecht Penck“ der Organisation Sea-Eye, mit weiteren 17 Migrantinnen und Migranten in die Zwölf-Meilen-Zone einlaufen, weil sich die Situation an Bord verschlechtert habe und die meisten Flüchtlinge seekrank seien. Die Erlaubnis, anzulegen, sei damit aber nicht verbunden.

Während auf dem Mittelmeer vor Malta für die nächsten Tage starker Wind und hoher Wellengang angekündigt sind, so heißt es in der Pressemitteilung aus dem BO weiter, ärgere die Odyssee des Rettungsschiffs Sea-Watch 3 auch die Aktiven der Heidelberger Initiative „Seebrücke“. Sie hatten am vergangenen Freitag am Rathaus mit einem Sit-in auf die Situation im Mittelmeer aufmerksam gemacht.

Wohlstand durch Unterdrückung

Heidelbergs Finanzbürgermeister Hans-Jürgen Heiß zeigte sich in einem Video, das die „Seebrücke“ in sozialen Netzwerken verbreitete, empört: Aufgrund der aktuellen Notsituation der Sea-Watch 3 erneuere die Stadt ihren Appell vom Oktober, dass sich die Bundesregierung dringend für die Rettung der in Not befindlichen Flüchtlinge auf der Sea-Watch einsetzt. Heidelberg ist eine von rund 30 Städten in Deutschland, die bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen.

Bischof Gebhard Fürst stellte sich mit seiner Erklärung auch hinter die Aussage des Flüchtlingsbeauftragten der Diözese Rottenburg-Stuttgart Rudloff, wenn Horst Seehofer nicht zügig handele, sei letztlich die Bundeskanzlerin gefragt. Auch sie stehe in der Verantwortung.

Gestern Nachmittag bot sich dann die Stadt Marburg an, die 32 Flüchtlinge der Sea-Watch 3 aufzunehmen. Der dortige Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) bat Seehofer, die Aufnahme der Geretteten in Deutschland zu ermöglichen und sie der Stadt Marburg zuzuweisen. „Nach unserer Überzeugung und dem geltenden Recht müssen Menschen, die in Seenot geraten, gerettet werden - egal, aus welchen Gründen sie auf dem Meer sind.“ Zudem handle es sich in diesem Fall um eine verschwindend geringe Zahl. Spies: „Solange ein Teil unseres Wohlstands an Armut und Unterdrückung in anderen Ländern hängt, solange ist das Schicksal von Menschen in Not auch unsere Verantwortung.“

Sea-Watch: EU ist erbärmlich

Die Besatzung des Rettungsschiffs twitterte gestern früh: „Der 13. Tag mit unseren Gästen an Bord der Sea-Watch 3 beginnt nur wenige Meilen von den Ufern von Malta entfernt (wo wir Schutz vor dem Sturm suchen durften), während die EU-Minister/innen weiterhin über 32 Menschen verhandeln. Wir mögen elend aussehen, aber sie sind erbärmlich.“

Nach Angaben der Vereinten Nationen starben voriges Jahr rund 1300 Menschen beim Versuch, von Nordafrika aus über die zentrale Mittelmeerroute Europa zu erreichen.

Bild: DRS/Felix Kästle

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Erstellt:
04.01.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 10sec
zuletzt aktualisiert: 04.01.2019, 01:00 Uhr

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