Rebell und Imperator

Biografie zeigt George Lucas als Marketing- und Technik-Revolutionär

George Lucas ist mehr als der eigenbrötlerisch-geniale „Star Wars“-Schöpfer.

22.11.2017

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

George Lucas 1983 mit den Ewoks aus „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ und mit C3PO. Der Star-Wars-Schöpfer war nahezu der Einzige, der die pelzigen Gesellen mochte. In einer der digitalen Nachbearbeitungen sorgte Lucas später dafür, dass die Ewoks blinzeln konnten. Foto: mauritius images/Photo 12/Alamy

George Lucas 1983 mit den Ewoks aus „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ und mit C3PO. Der Star-Wars-Schöpfer war nahezu der Einzige, der die pelzigen Gesellen mochte. In einer der digitalen Nachbearbeitungen sorgte Lucas später dafür, dass die Ewoks blinzeln konnten. Foto: mauritius images/Photo 12/Alamy

Los Angeles. Sein Nachruf, das sagt er ohne jedes Sentiment, werde unweigerlich mit den Worten „Der Star-Wars-Schöpfer George Lucas?.?.?.“ beginnen. Der Filmemacher weiß, dass das, was er da in die Welt gesetzt hat, längst größer ist als er selbst. Und dass es alles überdeckt, was er sonst geschaffen hat. Ja, Lucas ist Star Wars – und doch mehr, das zeigt die neue Biografie von Brian Jay Jones.

George Lucas, 1944 in der kalifornischen Kleinstadt Modesto geboren, war ein scheues, eigenbrötlerisches Kind, das die Schule hasste und Comics verschlang. Als Jugendlicher liebte er Dagobert Duck und die Gemälde Norman Rockwells, Disneyland und alte Film-Serials wie „Flash Gordon“. Vor allem das Verhältnis zum Vater war wohl nicht innig, Lucas äußerte sich später dazu – wie über vieles – nur spärlich und widersprüchlich.

Keinesfalls wollte Lucas das Schreibwarengeschäft des Vaters übernehmen, was zu Spannungen führte. Der Teenager war ein Autonarr, er schraubte, düste herum, fuhr Rennen – bis zum 12. Juni 1962. Da überlebte er in seinem kleinen Fiat mit sehr viel Glück einen verheerenden Unfall.

So wurde er nicht Rennfahrer, sondern studierte Kunst und Anthropologie. Und wurde schließlich Filmstudent an der University of Southern California. Bereits sein erster Einminüter, die politische Trick-Montage „Look at Life“ von 1965, war eine so starke Talentprobe, dass Lucas selbst erkannte: „Hey, ich bin gut. Ich weiß, wie das geht.“

Tatsächlich versuchte er von da an stur, seine Visionen zu verwirklichen. Daher entwickelte er schon früh eine Verachtung für das System Hollywood mit seinen nur von Finanzinteressen geleiteten Studios und seinen Abhängigkeitsstrukturen. Was kostet Freiheit? So lautete eine Leitfrage Lucas'. Die ihn später mehrfach fast in den Ruin treiben würde, wenn er wieder sein ganzes eigenes Geld in einen Film steckte.

Jones' Biografie lässt Details aus Lucas' frühen Jahren wie eine Folie für das spätere Star-Wars-Universum wirken – besonders die Bedeutung von (Jedi-haften) Mentoren. Etwa der fünf Jahre ältere Regisseur Francis Ford Coppola, der mit Lucas die Film-Community Zoetrope aufbaut.

Kino war Lucas' einzige Droge. Für Aufsehen sorgte er 1967 mit dem 15-minütigen Science-Fiction-Streifen „THX 1138 4EB“. Den entwickelte er zu einem Spielfilm weiter, um den er mit dem Warner-Studio verbittert kämpfen musste. Mit dem in den 60ern spielenden, persönlichen Jugend-Film „American Graffiti“ landete er 1973 einen ersten großen Hit, auch hier ärgerte er sich wieder mit dem Studio herum. Stets ging es nicht nur um Geld, sondern um Entscheidungsmacht.

Was dann folgte: Ideen für einen Weltraumfilm, Klinkenputzen bei Geldgebern, ein verkrampfter dreijähriger Schreibprozess, den Lucas selbst „Bluten“ nannte. Die Dreharbeiten in Tunesien und London verliefen schrecklich, die Arbeit mit seiner dafür gegründeten Effekt-Firma Industrial Light and Magic chaotisch. Am 25.?Mai 1977 kam „Star Wars“ in die Kinos, kaum einer rechnete mit einem Erfolg – der Rest ist tatsächlich Geschichte.

Natürlich erzählt Jones auch diese Geschichte ausführlich: die weiteren Star-Wars-Filme, die Entstehung von „Indiana Jones“ als zweiter großer Filmserie, Lucas weitere mal mehr, mal weniger erfolgreichen, auch mal verheerenden Projekte. Er erläutert, wie vorausschauend Lucas sich Marketingrechte sicherte, er schildert die Entstehung von Firmen wie dem Klanglabor THX und der Computerschmiede Pixar und den Bau der Skywalker Ranch, dem megalomanen Sitz von Lucasfilm.

Wenn Lucas von sich und seiner Firma spricht, meint man es mit den mutigen Rebellen zu tun zu haben, die gegen das dunkle Imperium Hollywood kämpfen. Dabei führte er selbst Lucasfilm lange als Alleinherrscher, von Abnickern umgeben.

Was Lucas' Haltung zu seiner populärsten Schöpfung betrifft, schien er oft mit sich zu ringen: Er hätte so gern auch mal wieder unkommerzielle Kunstfilme gedreht. Zugleich zeigte er sich als unbeirrbar, was sich nicht zuletzt an seinen fortlaufenden digitalen Korrekturen der Star-Wars-Filme ablesen lässt – zum Leidwesen vieler Fans. Nur als er schließlich vor fünf Jahren Lucasfilm und damit alle Rechte an dieser fernen Galaxis für vier Milliarden Dollar an Disney verkaufte, musste er die Kontrolle abgeben. Ob er die neuen Episoden mag?

Lucas erscheint als genial-eigenwilliger Workaholic, als Kontrollfreak, als emotional und sozial gehemmter Mensch. Seine Ehe mit der Cutterin Marcia Lucas mündete 1983 in einer Scheidung, die ihn 50 Millionen Dollar kostete und verbitterte. Doch die Biografie zeigt ihn auch als zugewandten alleinerziehenden Vater dreier adoptierter Kinder. Seit 2013 ist er mit der Geschäftsfrau Mellody Hobson verheiratet, mit der er zum vierten Mal Vater wurde.

Ja, George Lucas ist eine irritierende Figur. Aber er ist der Mann, der nicht nur das Popcorn- und Blockbusterkino miterschaffen, sondern auch Film-Technik und -Vermarktung revolutioniert hat. Oder wie es „Herr der Ringe“-Regisseur Peter Jackson formuliert: „Er ist der Thomas Edison der modernen Filmindustrie.“

So geht es mit der Weltraum-Saga weiter

Film-Saga Als George Lucas 2012 seine Firma Lucasfilm an Disney verkaufte, gab er auch eine Ideensammlung für neue „Star Wars“-Abenteuer weiter. Die wurden jedoch schon für „Episode VII: Das Erwachen der Macht“ (2015) ad acta gelegt. Am 11. Dezember kommt nun: „Episode VIII: Die letzten Jedi“ in die Kinos, „Episode IX“ folgt Ende 2019. Im Mai 2018 erscheint „Solo: A Star Wars Story“ über die Abenteuer des jungen Han Solo. Zudem entwickelt Rian Johnson eine neue Trilogie – ohne Skywalkers.?abo

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Erstellt:
22.11.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 43sec
zuletzt aktualisiert: 22.11.2017, 06:00 Uhr

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