Tübingen · Vor der Premiere

Beziehungsstück mit musikalischer Erkundung

Am Samstag hat Sergei Prokofjews musikalisches Märchen „Peter und der Wolf“ für Kinder ab sechs Jahren am LTT Premiere.

26.02.2020

Von ST

Von links nach rechts: Regisseurin Oda Zuschneid, Ausstatterin Caroline Stauch und musikalische Leiterin Barbara Borgir. Bild:LTT

Von links nach rechts: Regisseurin Oda Zuschneid, Ausstatterin Caroline Stauch und musikalische Leiterin Barbara Borgir. Bild: LTT

Ein Klassiker – auch für Kinder. Sergei Prokofjews illustrative Musik zu „Peter und der Wolf“ kann jeder mitsummen. Am kommenden Samstag, 29. Februar, um 16 Uhr ist Premiere im LTT – für junge Menschen ab sechs Jahren. Dramaturg Michel op den Platz sprach mit der Regisseurin Oda Zuschneid, der musikalischen Leiterin Barbara Borgir und der Ausstatterin Caroline Stauch.

„Peter und der Wolf“ ist für ein Sinfonieorchester und eine Erzählstimme geschrieben, in Ihrer Fassung stehen hingegen drei musizierende Spieler auf der Bühne. Wie kam es zu dieser Übertragung?

Oda Zuschneid & Barbara Borgir: Zunächst einmal ist „Peter und der Wolf“ ein Titel, der bei vielen Menschen sofort Assoziationen weckt. Die meisten kennen die Geschichte aus ihren Kindertagen, schnell erinnert man die eingängigen musikalischen Motive. Viele der Kinder, die zu uns ins Theater kommen, haben vielleicht eine alte Schallplatte ihrer Eltern oder eine CD von „Peter und der Wolf“ zu Hause. Aber das ist ja nie dasselbe wie ein Live-Konzert. Wir möchten unserem Publikum eine unmittelbare Erfahrung dieser herausragenden Musik anbieten. Prokofjews Werk ist zeitlos hervorragend. Die Musik des Stückes ist eine bemerkenswerte Mischung aus harmonischer, melodischer sowie rhythmischer Komplexität und gleichzeitig stark programmatisch und zugänglich. Wir finden es reizvoll, mit den Mitteln des Spiels die Musik auf die Wahrnehmung der Zuschauer treffen zu lassen. Unsere Interpretation versteht sich nicht als eine Erweiterung oder ein „Interessant-Machen“, was das Werk nicht nötig hat. Es ist vielmehr eine Vertiefung und genauere Betrachtung des Stückes - der Musik an sich. Es ist eine Annäherung an die Klänge, die in den Kompositionen und in der Geschichte verborgen sind. Wann wird aus Geräusch Klang, und welche Strukturen braucht es, dass wir diesen Klang als Musik wahrnehmen? In welchem Verhältnis stehen dieser Klang, die Geräusche und die Musik zur Geschichte, zu ihren Konflikten und zu ihren Protagonist*innen?

Was ist heute noch das Spannende an diesem Stück, das 1936 uraufgeführt wurde?

Oda Zuschneid & Barbara Borgir: Natürlich die Musik! Und auch die Tatsache, dass durch Musik Vorgänge, Charaktere und Stimmungen beschrieben werden. Daneben ist „Peter und der Wolf“ bei genauerer Betrachtung auch ein Beziehungsstück: Es werden Konflikte über Autorität und Vertrauen, unterschiedliche Fähigkeiten, Gefahr, Freundschaft, Mut und Selbstermächtigung sowie die bittere Wahrheit der Nahrungskette verhandelt.

Was erzählt es uns über Klang und Musik?

Oda Zuschneid & Barbara Borgir: Dass gut komponierte Musik zeitlos ist und über Generationen hinweg begeistern kann. Unsere Version strebt ein akustisches Heranzoomen der Musik an, indem a) verschiedene Abschnitte des Werkes live von drei Nicht-Orchesterinstrumenten gespielt werden, b) andere Abschnitte vorproduziert sind und mit weitgehend als künstlich erkennbaren Klängen wiedergegeben werden, und c) wieder andere Teile als Original-Orchestereinspieler vorkommen.

Die Idee hinter dieser Durchmischung ist, das Gehör für die jeweils andere Klangwelt zu öffnen, einfach weil sie so unterschiedlich ist, aber immer das Stück betrifft. Was dadurch hörbar wird, ist, dass das Stück auf interessante Weise ja trotzdem immer das Stück bleibt. Weil es Parameter gibt, die immer gleich bleiben, woraus diese Musik besteht, was sie erkennbar macht: Rhythmus, Harmonie, Melodie.

So wird erfahrbar, dass Klang und Musik letztlich auf kompositorischen Codes basieren, die durch Arrangements entschlüsselt werden. Das gilt letztendlich für alle notierte Musik. Das Tolle ist, dass wir als Menschen in der Lage sind, diese Arrangements und Strukturen als Zusammenhänge wahrzunehmen oder sie dorthin zu überführen. Wir bauen zu ihnen eine bestimmte Beziehung auf. Im Spiel mit diesen Strukturen entspinnt sich ein erzählerisches Moment oder eine Gefühlswelt oder ein Klang, der uns vertraut vorkommt.

Es gibt in Ihrer Inszenierung jede Menge zu hören, aber was gibt es auf der Bühne zu sehen?

Caroline Stauch, Oda Zuschneid & Barbara Borgir: Das ist ein Geheimnis. Oder sollen wir? In jedem Fall bilden die eben erwähnten Klänge und Geräusche, die von den Spieler*innen sichtbar erzeugt werden, einen Raum, der letztlich auch visuell erfassbar ist. Man kann sehen, wie und wo die Musik von wem produziert wird, ein visueller roter Faden also, in einem unspezifischen und in sich variablen Raum, in dem man vor allem eines kann: experimentieren. Dazu kommt eine Live-Kamera, die von den Spielern arrangiertes Material per Beamer auf einer Leinwand erscheinen lässt. Es gibt das Licht, das ebenso seinen Teil der Geschichte erzählt und sich zur Musik ins Verhältnis setzt. Und es gibt nicht zuletzt drei Menschen, die mit Konzentration, Humor und Freude erforschen, lauschen, erzählen, streiten und performen. Und das Schöne ist, dass wir dabei zuhören und zuschauen dürfen, wie sich durch ihr Spiel eine Geschichte entfalten kann.

Info Premiere: Samstag, 29. Februar um 16 Uhr, LTT-Werkstatt. Weitere Vorstellungen 2., 3. und 4. März.

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Erstellt:
26.02.2020, 20:02 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 26.02.2020, 20:02 Uhr

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