Bücher

Berühmt werden im Selbstverlag

Schreiben, layouten und promoten: Self Publisher machen alles allein. Damit hauptberuflich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist schwer. Eine Autorin aus dem Allgäu hat das geschafft.

05.12.2020

Von LAURA LIBOSCHIK

Foto: Illustration: Beniamino Raiola

Foto: Illustration: Beniamino Raiola

Allgäu. Allie Kinsley ist im Oktober nach Italien gereist, um endlich Zeit zu haben, ihr Buch zu schreiben. Alle acht bis zehn Wochen erscheint ein neues unter ihrem Pseudonym, „sonst sind die Leser enttäuscht“, sagt die Autorin aus dem Allgäu. Etwa 50 Liebesromane hat sie schon als Self Publisher, also ohne Verlag, veröffentlicht. Sie verdient damit ihren Lebensunterhalt. Seit acht Jahren schreibt sie Bücher, vor sechs Jahren hat die 35-Jährige ihren sicheren Job als Prozess-Optimiererin bei einer Logistikfirma gekündigt.

Ein Verlag kam für Kinsley nicht in Frage. „Es kam mir vor, als hätten die Verlage schon mehr als genug eingesendete Manuskripte“, sagt sie. Durch Zufall sei sie dann auf Amazons Kindle Direct Publishing (KDP) gestoßen. „Da dachte ich, probiere ich es mal aus“, erzählt sie. Tatsächlich ist es simpel: Es sind kaum mehr als 20 Klicks bis zum eigenen Buch. Vorausgesetzt, die Geschichte ist schon geschrieben.

Im ersten Schritt registriert man sich, dann lädt man die Word- oder PDF-Datei hoch, legt Layout und Cover fest, wählt Preis und Veröffentlichungsländer – und schon erscheint der Button: Buch veröffentlichen. „Dann dauert es maximal 72 Stunden, bis der Titel verfügbar ist“, erklärt Frank Euler, bei Amazon zuständig für KDP Deutschland. Geprüft werden die Inhalte in dieser Zeit nicht explizit, allerdings seien schon einige auf die Idee gekommen, Wikipedia zu kopieren und daraus ein Buch zu machen. Eine Urheberrechtsverletzung. Auch für Fehler im Buch liegt die Verantwortung beim Autor. „Dafür hat der Autor bei der Veröffentlichung keine Kosten und behält die Rechte am Werk“, erläutert Euler. Eine zeitliche Bindung an Amazon gibt es nicht. Oft sei KDP nur ein Sprungbrett in die Öffentlichkeit.

Gedrucktes Buch auf Bestellung

Das ging auch Kinsley so. „Mein erstes Buch hat sich 360 Tage in den Top 100 der Onlinebücher seiner Kategorie gehalten“, erzählt sie. Neben Fantasy und Thrillern ist Romance das erfolgreichste Genre der Branche. Die Angebote der Verlage zur Zusammenarbeit hat Kinsley abgelehnt. An einem Buch würde sie dort im Schnitt zwischen 6 und 15 Prozent verdienen, erklärt sie. Bei einem E-Book auf Amazon sind es 70 Prozent, wenn der Verkaufspreis zwischen 2,69 und 9,99 Euro liegt.

Bei KDP gibt es auch die Möglichkeit, ein Taschenbuch mit anzubieten, über Print on Demand, ohne Kosten für die Autoren. Euler erklärt: „Ein Buch wird erst dann gedruckt, wenn es bestellt wird.“ Amazon druckt und versendet es. Der Onlinehändler erhält 40 Prozent des Verkaufserlöses, die Autorin 60 Prozent. Davon gehen noch drei bis vier Euro für die Druckkosten ab. „Ich würde mehr verdienen, wenn ich selbst drucken würde“, sagt Allie Kinsley. Dann fügt sie lachend hinzu: „Dadurch hätte ich aber keine Zeit zum Schreiben, bräuchte mehr Platz und würde dasitzen und Bücher verpacken.“

Viele Schriftsteller und Schriftstellerinnen wünschen sich trotzdem einen Verlagsvertrag, erzählt Kinsely. Wieso? Frank Euler von Amazon sagt: „Beim Self Publishing liegt die Vermarktung beim Autor. Das kostet Schreibende oft die Hälfte der Zeit.“ Ein Verlag übernimmt Lektorat, Satz, Werbung, Lagerung und Versand , meistens sind die Bücher hochwertiger. Bei einem renommierten Verlag reicht ein Besteller, um gutes Geld zu verdienen. Online, vor allem bei E-Books, geht es um die Quantität.

„Marketing ist das Wichtigste“, sagt Allie Kinsely. Besonders über die sozialen Medien und die Buch-, Blogger- und Lesergruppen. Ein Self Publisher müsse immer mit Lesern interagieren, um richtig Geld zu verdienen. Wie viele Selbstverlegende es gibt, ist unklar. Der Self-Publisher-Verband geht von „ein paar tausend deutschen Autoren“ aus, sagt Geschäftsführerin Jeanette Lagall.

Nur wenige können davon leben

„Wirklich erfolgreich ist derzeit nur ein kleiner Anteil“, sagt Thomas Koch, Sprecher des Börsenvereins Deutscher Buchhandel. Zurzeit gebe es aber häufiger Mischformen aus Verlags- und Self-Publishing. Viele Autorinnen und Autoren gründen einen Verlag. Die Verlagsgruppe Holtzbrinck hat zwei eigene Self-Publishing-Plattformen. Die Random-House-Gruppe aus München hat eine Kooperation mit Books on Demand, um über Self Publishing neue Autoren zu entdecken und zu fördern.

Auch Amazon-Mitarbeiter Frank Euler sieht die Verlage keineswegs mit Self Publishern in Konkurrenz: „Wir wollen gemeinsam das Lesen voranbringen und nicht untereinander konkurrieren“, sagt er. Auch beim Onlinehändler seien die Anteile ausgewogen. Vielmehr konkurriere das Lesen selbst mit dem Streaming auf Netflix und anderen Freizeitaktivitäten.

Die Leser zu binden und sich selbst zu vermarkten, sei harte Arbeit, sagt Allie Kinsley. „Deshalb kann man sich nicht so zurückziehen wie in der Verlagswelt.“ Trotzdem sei sie froh, ihren Weg gegangen zu sein: „ich treffe jede Entscheidung selbst und bin immer sehr nah dran an den Lesern.“

Allie Kinsely, Self Publisherin aus dem Allgäu. Foto: privat

Allie Kinsely, Self Publisherin aus dem Allgäu. Foto: privat

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Erstellt:
05.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 23sec
zuletzt aktualisiert: 05.12.2020, 06:00 Uhr

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