Immobilien
Angespannt, aber lukrativ
Wer in Tübingen und der Umgebung eine Wohnung mieten oder sogar kaufen will, kommt angesichts der Preise schnell ins Zweifeln. Das empfohlene Drittel des Haushaltseinkommens, das fürs Wohnen aufgewendet werden soll, wird von den Wohn- und Nebenkosten in Tübingen oft deutlich überstiegen. Wie sieht der Markt derzeit aus? Wir sprachen mit dem Baubürgermeister, der VR-Bank und der Kreissparkasse.
Er selbst kennt viele Tübingerinnen und Tübinger, „die in guten Mietverhältnissen wohnen“. Und auch auf der Eigentümerseite gebe es viele, „die eher an langfristigen und stabilen Verhältnissen interessiert sind und nicht an Profitmaximierung“. Und doch sind die Preise außer Kontrolle geraten, und doch findet eine junge Familie in Tübingen kein erschwingliches Häuschen zur Sanierung und Familiengründung – geschweige denn einen Bauplatz in der Stadt oder an ihren Rändern. „Wenn wir von 30 Prozent des Haushaltseinkommens ausgehen, das für Wohnkosten aufgewendet werden soll, ist dieser Wert bei Familien in Tübingen sehr oft erreicht oder überschritten“, so Soehlke unumwunden.
Dass das Wohnen in Tübingen häufig zu teuer ist, liegt an der ex-tremen Knappheit des Angebots. „Und sie ist auch davon geprägt, dass Tübingen extrem attraktiv ist.“ Dass das wiederum auch einer Folge guter kommunaler Politik ist, führt das Miet- und Wohnproblem in der Stadt fast ein bisschen ad absurdum: „Bedarfsdeckung mit Wohnungen wird in Tübingen kaum gelingen können. Es gibt eine reelle Verdrängung. Menschen die hier gerne wohnen würden oder schon wohnen, können sich Tübingen nicht mehr leisten.“ Das sei ein Fakt – aber eben auch ein Handlungsfeld der Politik: „Das einzudämmen, ist die Aufgabe.“
Die Aufgabe von Thomas Kemmler und Dieter Thumm, Regionalleiter Baufinanzierungen und Abteilungsleiter Immobilien bei der Tübinger Kreissparkasse, ist es, Immobilien im Auftrag ihrer Kunden zu verkaufen – oder ihnen eine passende Immobilie in der Region zu vermitteln. Die angespannte Lage am Markt bestätigen sie unisono: „Tübingen ist innerhalb Baden-Württembergs eine sehr gefragte Region“, sagt Thumm. Sowohl das Kaufen als auch das Verkaufen von Immobilien bringe in der Gegend viele interessante Aspekte mit sich: „Tübingen ist ein Landkreis mit Zuwachs und starker Nachfrage.“ Leider werde diese Nachfrage von der Angebotsseite nicht abgedeckt: „Das hat auch einfach damit zu tun, dass die Flächen begrenzt sind“, sagt Kemmler. Von zwei Naturschutzgebieten umgeben, dem Schönbuch und dem Rammert, seien die Wachstumsmöglichkeiten Tübingens in der Fläche durchaus begrenzt. „Gepaart mit hoher Nachfrage hat der Flächenmangel zu stark steigenden Preisen geführt.“ Bisher seien Immobilien auch als reine Kapitalanlage sehr attraktiv gewesen. „Ob sich die Kurve nun etwas verflachen könnte – das wird gerade diskutiert.“
Auch Markus Lang und Martin Futter, Bereichsleiter für Privatkunden und Immobilien sowie Immobilienberater bei der VR-Bank in Tübingen, haben Einblicke in den Tübinger Wohnungsmarkt. „Wir verkaufen hauptsächlich. Einblicke in den Mietmarkt haben wir eher weniger.“ Die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern zu kaufen sei auch an ihrem Ende „ungebrochen hoch“, berichten die beiden. „Diese Nachfrage trifft in Tübingen und auch im Umland auf ein sehr geringes Angebot“, so Futter. Ein Preisanstieg von rund 10 Prozent wie im Jahr 2020 sei da nichts Ungewöhnliches, diese Entwicklung sei durch Corona nicht abgeschwächt worden: „Die Pandemie hat eher zu einem Nachfrageschub geführt. Das Wohnen und die eigenen vier Wände haben in den Lockdowns eine größere Bedeutung bekommen“, sagt Futter. Das habe zu einer stärkeren Nachfrage besonders nach Häusern mit Gärten und Wohnungen mit Balkonen und Terrassen geführt.
In bestimmten Fällen könne auch eine Finanzierung, bei der man nur die Gebühren und die anfallenden Zinsen begleicht, nicht aber den Kredit selbst tilgt, durchaus sinnvoll sein. „Das ist geläufig und das machen Kunden gerne“, berichtet Lang. Statt den Kredit abzuzahlen, spart der Kunde dann den Immobilienpreis in Form anderer Wertpapiere an, klassischerweise als börsengehandelte Fonds, also so genannte ETFs: „Für uns ist wichtig, dass der Kunde die Tilgung in einem anderen Produkt anspart, um die Sicherheit zu haben, dass er in 20 Jahren auch abbezahlen kann.“ Letztlich hängen solche Modelle aber auch an der Risikobereitschaft des Kunden.