Sportklettern
An der Plastikwand nach oben
Bei der Weltmeisterschaft in Japan hoffen die deutschen Athleten auf Medaillen – vor allem aber auf die Qualifikation für die Olympia-Premiere 2020 in Tokio.
Diesen Abstecher in die Berge hat Alexander Megos gebraucht. Zwischen den Weltcups in Chamonix und Briançon baute der deutsche Weltklasse-Kletterer aus Erlangen eine kurze Trainingseinheit am Felsen ein. Nach unzähligen Stunden in dunklen Trainingshallen sehnte er sich nach echtem Stein.
Für Olympia 2020 verzichtet Megos weitgehend auf seine größte Leidenschaft und schindet sich an künstlichen Wänden. Denn da wird an Plastikwänden und an Plastikgriffen geklettert. „Das ist der Kompromiss, den ich eingehe“, sagte Megos der Deutschen Presse-Agentur. Mit der Entscheidung ist er momentan happy. Ein Jahr vor der Olympia-Premiere der Sportart in Tokio haben der Hype und die Vorfreude die Bedenken in der Szene großteils verdrängt. Am Wochenende beginnen in Hachioji nahe der japanischen Hauptstadt die Weltmeisterschaft, bei denen die ersten Tickets für die Sommerspiele im nächsten Jahr vergeben werden. „Alle sind unter Hochspannung“, berichtete Bundestrainer Urs Stöcker.
Innerhalb von drei Jahren hat sich die Stimmung bei den Kletterern in Bezug auf Olympia grundlegend gewandelt. Bei der Bekanntgabe des Wettkampfformats 2016 herrschte noch Ernüchterung, weil Medaillen nur in einem neu eingeführten Kombinations-Dreikampf aus den Disziplinen Lead – also Seilklettern, Bouldern in Absprunghöhe und Speedklettern vergeben werden. Weil die besten Athleten mit Speedklettern, wo eher die Wand hoch gesprungen als geklettert wird, kaum etwas anfangen konnten, überlegten Stars wie Megos oder der Tscheche Adam Ondra, ob sie überhaupt an den Sommerspielen teilnehmen wollen.
Sie entschieden sich dafür. „Mittlerweile haben sich alle gut mit Speed arrangiert“, berichtete der WM-Dritte Jan Hojer, der neben Megos die besten deutschen Chancen auf eine Olympia-Teilnahme hat. „Das Klettern ist mittlerweile urban geworden“, sagte Bundestrainer Stöcker dazu jüngst. Der Sport stecke aber noch in den Kinderschuhen. Professionelles Training gebe es erst seit gut sieben Jahren. Alexander Megos und Co. hoffen bei Olympia in Tokio 2020 und Paris 2024 dann auch auf persönliche Erfolge – damit sich die aktuellen Entbehrungen lohnen. dpa