Verkehr

Abellio für zwei Jahre gesichert

Das Kabinett billigt das Rettungskonzept für den insolventen Bahnbetreiber, der etwa die Strecke Tübingen-Stuttgart betreibt. Die Opposition meldet aber Bedenken an und fordert eine Sitzung des Verkehrsausschusses.

27.10.2021

Von Theo Westermann

Ein Regionalzug des privaten Bahnbetreibers Abellio fährt vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Der Name bleibt, doch die Betreibergesellschaft wechselt.  Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Ein Regionalzug des privaten Bahnbetreibers Abellio fährt vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Der Name bleibt, doch die Betreibergesellschaft wechselt. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Stuttgart. Dass das monatelange Ringen um die nun zumindest für zwei Jahre gesicherte Zukunft der insolventen Abellio Rail Baden-Württemberg Nerven gekostet hat, zeigt eine Bemerkung von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „Die Führung von Abellio hat unser Vertrauen verspielt“, sagte Hermann zu Journalisten. Der Verkehrsminister dankte aber dem Betriebsrat des Unternehmens und den Beschäftigten, „dass sie nicht davon gelaufen sind und dass sie uns vertraut haben, dass wir eine Lösung finden“. 

Die Züge von Abellio im Baden-Württemberg können damit auch nach dem Jahreswechsel weiterfahren. Das Landeskabinett segnete bei seiner Sitzung  am Dienstag die Lösung ab, die das Verkehrsministerium in langen Verhandlungsrunden mit dem Insolvenzverwalter  gefunden hat. Die   landeseigene „Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH“  (SWEG) übernimmt Abellio mitsamt seinen rund 350 Beschäftigten für die kommenden beiden zwei Jahre. Die SWEG stellt die zusätzlichen Kosten für den Fahrbetrieb dem Land in Rechnung. Der Name Abellio bleibt zunächst erhalten, sprich, die Züge fahren unter dem Markennamen weiter.

Verkehrsminister Hermann zeigte sich erleichtert über die nun gefundene Lösung. In zwei Jahren soll es wieder eine Ausschreibung geben mit  neuen Vertragskonditionen. Die SWEG kann sich bewerben, die „neue“ Abellio Baden-Württemberg wird dann an den Gewinner des neuen Verfahrens verkauft.

Damit ist auch klar, dass der neue Betriebshof von Abellio in Pforzheim bei dem Unternehmen verbleibt, sprich die SWEG übernimmt dort künftig die Regie – „aber mit den Beschäftigten von Abellio,“ so der Verkehrsminister.  Zwischen Land und SWEG soll nun eine Rahmenvereinbarung geschlossen werden, teilte das Ministerium mit. Sobald der Interims-Verkehrsvertrag vorliegt, kann der SWEG-Aufsichtsrat darüber entscheiden. Dann folgt eine Investorenvereinbarung. Anschließend muss die Gläubigerversammlung entscheiden. Dann kann das Insolvenzgericht den Beschluss hierüber fassen. Sofern bis Ablauf einer zweiwöchigen Frist keine Beschwerden eingelegt werden, wird er rechtskräftig. Danach gehen die Gesellschaftsanteile an die SWEG über. Laut dpa soll der  Kaufpreis, den die SWEG für die Abellio Rail Baden-Württemberg zahlt, sechs Millionen Euro betragen.

Lucas Flöther, Generalhandlungsbevollmächtigter von Abellio teilte unserer Zeitung mit: „Nach der Tagung des Gläubigerausschusses hat sich die Übernahme der Abellio Rail Baden-Württemberg durch die SWEG als favorisierte Lösung herausgestellt. Ein finaler Kaufvertrag muss nun ausgehandelt werden.“

Die Lösung ist somit kein Auferlegungsvertrag, mit dem das Land entweder Abellio selbst oder einem anderen Verkehrsunternehmen die ursprünglich zu leistenden Verkehre „auferlegt“ hätte. Dies ist zwar im Notfall vertraglich möglich, wäre aber ein „hoheitlicher Akt“ gewesen.

Der Verkehrsminister würdigte den Einstieg der SWEG, sie habe bisher eine sehr gute Arbeit geleistet. Die SWEG ist im Zugverkehr vor allem in Südbaden, rund um Ulm  und seit 2018 nach der Fusion mit der Hohenzollerischen Landesbahn auf der Schwäbischen Alb vertreten. 

Der Betrieb von Abellio und seine Tochtergesellschaften in verschiedenen Bundesländern ist seit längerem defizitär. Eigner ist der niederländische Staatskonzern Nederlandse Spoorwegen.  Der niederländische Finanzminister hatte im Mai 2021 die Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer ultimativ aufgefordert, mehr zu zahlen. Hermann nannte dies ein „erpresserisches Verhalten“. Im Juli erklärte Abellio samt Töchtern die Insolvenz, seither verhandelt auch Baden-Württemberg mit dem Insolvenzverwalter. Die Stilllegung stand ebenfalls im Raum. Ende September gab es eine kurzfristige Vereinbarung, die den Verkehr zumindest bis Jahresende sicherte.

Es habe sich  als richtig erwiesen, dass das Land die Züge für die ausgeschriebenen Regionallinien  kauft und den Unternehmen nur vermietet, „gegen viel Kritik damals“, erinnerte Hermann. Andernfalls wären sie nun Teil der Insolvenzmasse. Der Kauf sei auch deshalb richtig, weil er auch kleineren Unternehmen die Chance eröffne, am Markt teilzunehmen

Zuletzt war auch Kritik am Minister aus den Reihen der Landtagsopposition deutlich geworden. SPD und FDP beantragten nun wegen des Kaufs eine Sitzung des Verkehrsausschusses. Es seien noch viele Fragen offen, so der SPD-Verkehrsexperte Hans-Peter Storz (Singen), etwa die Folgen für den Steuerzahler.  Der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Jung (Bretten) sagte, es müsse klar sein, wie diese neue Beauftragung der SWEG zustande gekommen sei. Der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Michael Joukov-Schwelling (Ulm), begrüßte die Übernahme als gute Nachricht „für Pendlerinnen und Pendler, und die Beschäftigten“.

Info: Wunsch nach Kostenersparnis

Bei der Ausschreibung der sogenannten Stuttgarter Netze 2014/15 wurden Abellio-Rail und Go-Ahead ab 2019 beauftragt. Abellio betreibt rund zehn Prozent des regionalen Schienenverkehrs im Land. Der Vertrag lief eigentlich über 13 Jahre, ein zentrales Argument war damals die Kosteneinsparung gegenüber dem einstigen Anbieter DB Regio.

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Erstellt:
27.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 13sec
zuletzt aktualisiert: 27.10.2021, 06:00 Uhr

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