The Cut
The Cut
In dem historischen Drama von Fatih Akin sucht ein Überlebender des Völkermords an den Armeniern seine verschollene Familie.
Mut hat er, der Fatih Akin. Zumindest in der Türkei, der Heimat seiner Vorfahren, hat sich der deutsche Regie-Star („Gegen die Wand?) mit seinem neuen Film keine Freunde gemacht. Dort ist der Völkermord an der armenischen Minderheit, dem während des ersten Weltkriegs zwischen 300 000 und 1,5 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind, noch immer ein Tabu. Doch auch im Rest der Welt weiß man nicht viel darüber: die Zahl der Filme lässt sich an einer Hand abzählen. Ein Großepos der Brüder Taviani aus dem Jahr 2007 („Das Haus der Lerchen?) kam in Deutschland erst gar nicht auf die Leinwand.
Wie es sich fürs Kino gehört, behandelt Akin das heikle Thema pars pro toto, anhand eines (fiktiven) Einzelschicksals. Der armenische Schmied Nazaret (gespielt vom Franzosen Tahar Rahim) lebt glücklich mit seiner Familie in einer osttürkischen Stadt. Eines Tages im Jahr 1915 treibt die türkische Armee alle armenischen Männer zusammen und verschleppt sie zur Zwangsarbeit in die Wüste. Nach getaner Arbeit wird ihnen die Kehle durchgeschlitzt. Nur Nazaret überlebt dank der Skrupel eines Soldaten das Massaker ? ist fortan aber stumm. Danach sucht der Schmied verzweifelt nach seinen Zwillingstöchtern, über die er erfahren hat, dass sie sich in ein Waisenhaus retten konnten. Dort verliert sich aber vorerst ihre Spur.
Wer über diesen ersten systematischen Genozid überhaupt nichts weiß, für den mag „The Cut? als Einstieg seinen Zweck erfüllen ? wobei bereits über die politischen Hintergründe des Abschlachtens so gut wie nichts mehr durchdringt. Schwerer aber wiegt, dass Akin das Thema filmisch überhaupt nicht in den Griff bekommt. Die Hauptfigur bewegt sich wie aus Holz geschnitzt durch die Handlung, der Dialog klingt oft nach unterster Schublade deutscher Fernsehspielproduktion. Trotz einiger drastischer Schockszenen herrscht ein museal-märchenhafter Erzählton vor, der mehr an Tausendundeine Nacht und „Ben Hur? erinnert als an ein reales Ereignis des 20. Jahrhunderts. Im zweiten Teil mäandert der Film dann schier endlos durch die Weltgeschichte, vom Libanon über Kuba in die USA, ohne dass ein dramaturgischer Sinn erkennbar wäre.
Akin mag sich trösten: Er ist nicht der erste, der daran scheitert, einen Völkermord mit den Mitteln melodramatischen Erzählkinos aufzubereiten.
Genozid-Melodrama mit hölzernen Charakteren und blechernem Dialog. Entbehrlich.