Taxi Teheran
Taxi Teheran
Der verfemte iranische Regisseur Jafar Panahi fühlt in dem Berlinale-Winner als Taxifahrer seinen Landsleuten auf den Zahn.
„Taxifahren ist nicht Ihr Ding?, mault der in die Irre geführte Passagier. Stimmt, denn der stadtgeografisch etwas desorientierte Mann am Steuer ist kein gelernter Personenbeförderer, sondern der Filmemacher Jafar Panahi. Der vielfach ausgezeichnete iranische Regisseur („Offside?, „Der Kreis?) wurde 2010 wegen „Propaganda gegen das System? zu sechs Jahren Gefängnis (die er noch nicht angetreten hat) und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. Seitdem dreht Panahi seine Filme im Verborgenen und schmuggelt sie, zum Beispiel in einem Kuchen, außer Landes.
Für „Taxi Teheran?, der dieses Jahr den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen hat, brauchte es nicht viel mehr als eine aufs Armaturenbrett eines Autos montierte Kamera. Panahi selbst spielt den Chauffeur, der Landsleute mit sehr unterschiedlichen Anschauungen durch die Innenstadt von Teheran kutschiert. In den (inszenierten) Gesprächen, die sich unterwegs ergeben, kommen ? offen oder unterschwellig ? die politischen und sozialen Problemzonen des Iran zum Vorschein.
Eingangs fordert ein Fahrgast vehement die Todesstrafe für Autodiebe, während eine Lehrerin auf dem Rücksitz auf die desolaten Lebensumstände verweist, die viele Iraner in die Kriminalität treiben. Hintergrund ist die derzeitige Orgie an Hinrichtungen im Mullah-Staat, fast 2000 seit 2013. Die letzte Sequenz schließt an Panahis Film „Offside? an: Eine Anwältin (gespielt von der Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotudeh) ist auf dem Weg zu einer Frau, die wegen des Besuchs eines Volleyballspiels seit Monaten in Haft ist. Der Hungerstreik, in den sie aus Verzweiflung getreten ist, soll mit allen Mitteln totgeschwiegen werden.
Unter dem angeblich liberalen Präsidenten Hassan Rouhani, darf man aus alldem schließen, hat sich im Iran nichts zum Besseren gewandelt. Das gilt laut Panahi nicht nur für die Politik, sondern auch für die Umstände des Filmemachens, dem zweiten großen Thema von „Taxi Teheran?. In der Kernszene dreht ein Mädchen während der Fahrt einen Film für die Schule, in dem nach Maßgabe ihrer Lehrerin jedoch nichts Anstößiges vorkommen darf ? ein Ding der Unmöglichkeit, sofern man die Wirklichkeit nicht vergewaltigt.
Trotz der wenig ersprießlichen Erkenntnisse schwingt sich Taxifahrer Panahi nie zum zornigen Ankläger auf. Vielmehr übt er sich als geduldiger Zuhörer, der die Befunde für sich sprechen lässt und sie gelegentlich sarkastisch, resigniert oder belustigt kommentiert. Die bei aller Brisanz oft komödiantisch grundierten Episoden dokumentieren gedankenloses Durchwursteln ebenso wie die Angst vor der Repression und den unbeugsamen Willen, sich den Mund nicht verbieten zu lassen. Wie es Panahi gelingt, die gesellschaftliche Stimmungslage auf engstem Raum zu konzentrieren, ein Auto quasi zur Weltbühne zu machen, ist schlichtweg meisterlich. Zumal der Regisseur auch das Menschliche seiner Figuren nicht aus dem Blick verliert.
Für westliche Filmemacher sollte der Film Pflichtsoff sein: Als Lehrstück, dass man auch unter prekärsten Bedingungen relevantes und großes Kino machen kann.
Verbotener Regisseur nimmt sich stellvertretend fürs Land seine Freiheit ? im Taxi.