Milla Meets Moses

Milla Meets Moses

Die schwerkranke Milla lernt zufällig den Herumtreiber und Gelegenheitsdealer Moses kennen. Ihre Eltern sind gar nicht begeistert, doch Millas Lebensfreude kehrt zurück.

06.10.2020

Von Dieter Oßwald

Milla Meets Moses

Die erste Begegnung ist ein Schock: Der junge Moses springt auf dem Bahnsteig in Richtung des einfahrenden Zuges. Er rempelt die überraschte Milla an und hält dann gerade noch rechtzeitig. Der Freak mit abgeraspelter Vokuhila-Frisur gibt sich schnell fürsorglicher als gedacht. Spontan kümmert er sich um das plötzliche Nasenbluten von Milla. Das Schnorren danach gehört für den Junkie zur Routine. Die 16-Jährige stört das wenig, schließlich hat sie als Dank für die Spende einen Wunsch frei: Moses begleitet die krebskranke Milla zum Abendessen, um die fürsorglichen Eltern zu schockieren.

Als frischer Wirbelwind mischt Moses die verkrusteten Strukturen der schrecklich netten Familie gehörig auf. Wobei der Held durchaus als Hallodri durchgeht: Ob er am Medikamentenschrank des Psychiaters seine Vorräte als Drogenhändler auffrischt. Oder Milla nachts völlig alleine auf einer Parkbank zurücklässt. „Liebst du mich?“, fragt der Teenager einmal. „Es ist kompliziert“, bekommt sie als Antwort.

Mit hübschen Überschriften werden die kleinen Kapitel der Geschichte vorgestellt. Damit wird ein heiterer Grundton gesetzt, der sich in reichlich Situationskomik fortsetzt. Diese Leichtigkeit ist freilich nur der Zuckerguss für ernste Themen. Verlustängste. Suchtprobleme, Vertrauenskrisen. Shannon Murphy gelingt in ihrem Debüt nicht nur souverän die Balance zwischen Tragik und Komik, sie umgeht geschickt die Kitsch-Klippen und setzt auf Gefühle statt Sentimentalität.

Das herausragende Ensemble sorgt für die notwendige Glaubhaftigkeit. Essie Davis („Assassin’s Creed“) und Ben Mendelsohn („Star Wars: Rogue One“) überzeugen als verzweifelnde Eltern. Eliza Scanlen („Little Woman“) und Toby Wallace („Romper Stomper“) bieten als charismatisches Pärchen unaufdringliches Empathie-Potenzial. Ziemlich ungerecht, dass lediglich Wallace beim Filmfestival Venedig als Bester Darsteller auf das Siegertreppchen durfte. Als Höhepunkt mit Klassiker-Qualitäten erweist sich die letzte Sequenz am Strand, die eine emotionale Wucht entwickelt ohne jenes schale Gefühl, manipuliert zu werden: „Tempo“-Alarm bis zum Ende des Abspanns.

Herausragendes Ensemble in einem ungewöhnlichen, erfrischend anderen Film über das Leben angesichts des Todes.

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Erstellt:
06.10.2020, 15:53 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 59sec
zuletzt aktualisiert: 06.10.2020, 15:53 Uhr

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