Tennis

„Die ultimative Herausforderung“

In den vergangenen beiden Jahren hat Angelique Kerber eine wahre Achterbahnfahrt der Erfolge und Gefühle durchgemacht. Jetzt ist sie zurück bei den Besten der Welt.

19.10.2018

Von STEFAN NEUBERGER

Der Biss ist zurück: Angelique Kerber hat bei´m WTA-Finale große Ziele. Foto: Nicolas Asfouri/afp

Der Biss ist zurück: Angelique Kerber hat bei´m WTA-Finale große Ziele. Foto: Nicolas Asfouri/afp

Bei den WTA Finals in Singapur spielen die acht erfolgreichsten Tennisspielerinnen der Saison von Sonntag an um sieben Millionen Dollar Preisgeld. Mit dabei ist Angelique Kerber. „Mit Singapur habe ich noch eine Rechnung offen“, sagt die Wimbledon-Siegerin im Interview und freut sich auf das Jahresabschlussturnier in der asiatischen Metropole: „Die WTA Finals sind die ultimative Herausforderung in unserem Sport.“

Angelique, Sie sind seit Montag in Singapur. Schon was gesehen von der Stadt?

Angelique Kerber: Ja, klar. In Singapur sitzt man in seiner Freizeit nicht im Hotelzimmer vor dem Fernseher. Dazu gibt es in dieser Stadt zu viel zu entdecken. Unser Fokus liegt zwar auf der konzentrierten Vorbereitung auf die WTA-Finals, trotzdem gehe ich schon ab und zu auch vor die Tür.

Welchen Stellenwert haben die WTA-Finals für Sie?

Die WTA-Finals sind neben den Grand-Slam-Turnieren ein absolutes Saison-Highlight – mit dem Unterschied, dass man direkt in der ersten Runde auf eine Top-8-Spielerin trifft. Es gibt keine leichten Gegnerinnen, man wird direkt von Anfang an gefordert. Da muss man vom ersten Match an voll da sein und seine beste Leistung abliefern. Dieses Turnier am Ende einer langen Saison ist die ultimative Herausforderung in unserem Sport.

In ihrem Superjahr 2016 standen Sie im Finale, im Vorjahr haben Sie die Qualifikation nicht geschafft. Was rechnen Sie sich diesmal aus?

Mit Singapur habe ich noch eine Rechnung offen. Doch jede Spielerin, die es mit starken Leistungen über das ganze Jahr in die WTA-Finals geschafft hat, kann auch den Titel gewinnen. Es gibt keine Favoritin und keine Außenseiterin. Das ist der besondere Reiz dieses Turniers. Für uns Spielerinnen, aber auch für die Fans. Dieser Sieg fehlt mir noch in meiner Karriere, und es wäre der perfekte Abschluss nach einer starken Saison.

Haben Sie sich nach den Rückschlägen und Enttäuschungen der Saison 2017 vorstellen können, in diesem Jahr als Wimbledon-Siegerin zu den WTA-Finals zu reisen?

Mit solchen Gedanken habe ich mich damals nicht beschäftigt. Dazu war diese Zeit zu schwierig, gingen mir zu viele Dinge durch den Kopf. Da war einmal die Erinnerung an 2016. Das war ein tolles Jahr für mich, in dem ich den Sprung an die Spitze der Weltrangliste geschafft und die Grand-Slams in Melbourne und New York gewonnen habe. Auf den Trubel, der auf solche Höhepunkte folgt, kann man sich nicht vorbereiten. 2017 war ein schwieriges Jahr, aber auch eine wichtige Erfahrung. Ich habe daraus gelernt. Inzwischen könnte ich, glaube ich, mit so einer Situation besser umgehen.

Hat Sie diese schwierige Zeit verändert?

Ich bin als Spielerin und als Mensch reifer geworden, das auf jeden Fall. Ich bin auch überzeugt: Wenn ich diese schwierige Phase nicht erlebt hätte, wäre ich jetzt nicht Wimbledon-Siegerin.

Waren Sie von Ihrem sensationellen Comeback 2018 mit dem ersten Turniersieg gleich im Januar in Sydney auch selbst überrascht?

Ich habe 2017 nicht gut gespielt, keine Frage. Ich war aber nicht so weit weg von meiner Form, wie das auf dem Platz vielleicht ausgesehen hat. Ich hatte ja nicht plötzlich das Tennisspielen verlernt. Ich wusste, dass ich es immer noch kann, habe es auch im Training gezeigt. Doch in einem Match entscheiden oft ein, zwei Punkte über Sieg oder Niederlage. Normalerweise weiß ich, was ich in kritischen Momenten zu tun habe. Doch damals hat mir dieses Gespür gefehlt. 2018 habe ich mich wieder auf meine Stärken konzentriert und den Spaß am Tennis wiedergefunden. Das war für mich schon immer der Schlüssel zum Erfolg.

Mit dem Sieg in Wimbledon haben Sie sich Ihren Kindheitstraum erfüllt. Wie blicken Sie heute, ein Vierteljahr später, darauf zurück?

Dieser Sieg war das pure Glücksgefühl. Selbst jetzt, mit etwas Abstand, kommen diese Emotionen immer wieder hoch. Ich habe einige Zeit gebraucht, die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Diesen Sieg wollte ich unbedingt haben. Ich stand ja schon 2016 im Finale und bin auch jetzt noch überglücklich, dass ich meine zweite Chance nutzten konnte. Als ich die Silberschale hochgehalten habe, war das der Moment, von dem ich schon immer geträumt habe. Dafür gibt es keine Worte.

Ist die Rückkehr an die Spitze der Weltrangliste ein Ziel, das Sie nach den WTA-Finals vor Augen haben?

Daran denke ich nicht so sehr. Ich habe dieses schöne Gefühl ja schon einmal erlebt. Natürlich hätte ich nichts dagegen, irgendwann noch einmal ganz oben zu stehen. In Wimbledon ist mir das wieder bewusst geworden, dass es in unserem Sport eigentlich nicht um die Weltrangliste geht. In einem großen Finale zu stehen, gegen die besten Spielerinnen der Welt auf den großen Bühnen anzutreten wie jetzt bei den WTA-Finals, das sind die Momente, für die man morgens aufsteht, trainiert und kämpft –auch wenn's manchmal wehtut.

Angelique Kerber of Germany hits a return during her women's singles third round match against Wang Shuai of China at the China Open tennis tournament in Beijing on October 4, 2018. (Photo by NICOLAS ASFOURI / AFP) Foto: Nicolas Asfouri/afp Foto: Nicolas Asfouri/afp

Angelique Kerber of Germany hits a return during her women's singles third round match against Wang Shuai of China at the China Open tennis tournament in Beijing on October 4, 2018. (Photo by NICOLAS ASFOURI / AFP) Foto: Nicolas Asfouri/afp Foto: Nicolas Asfouri/afp

Zum Artikel

Erstellt:
19.10.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 19.10.2018, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport